Frauenhass ist deutsch

Mann kann die Uhr danach stellen: Wenn irgendwo in Deutschland ein Terroranschlag verübt wird, ein Amoklauf stattfindet oder ein Angriff passiert, wenn irgendwo Menschen verletzt werden oder gar sterben dauert es nur wenige Minuten, bis die ersten rechten Aasgeier anfangen zu kreisen. Noch während die Polizei die Lage klärt und die Presse versucht, sich ein Bild zu machen, raunen, mutmaßen oder behaupten diejenigen, denen es dann gut geht, wenn es Deutschland und seiner Bevölkerung schlecht geht, dass „einer von denen“ schuld sei. Ein „Ausländer“, ein „Flüchtling“, ein „Moslem“ – am besten alles zusammen. Beschleunigt wird das Ganze noch davon, wenn sich unter den Opfern Frauen und Kinder befinden – möglichst weiß. Dann dauert es maximal einen Tag, bis sich die Stimmen aus dem rechtskonservativen bis völkisch-nationalistischen Bereich erheben und sagen, was sie glauben durch die Instrumentalisierung der Tat einmal mehr loswerden zu können: „Merkel ist schuld! Ohne Merkels Grenzöffnung könnten die Opfer noch leben! Verfehlte Asylpolitik! Messermänner!“ Das Übliche eben.

So geschehen nach dem Messerangriff eines aus Somalia geflüchteten Mannes auf mehrere Personen in Würzburg vor wenigen Tagen. Unter Hashtag plus Ortsname versammeln sich der einschlägige Personenkreis von Pegida über Querdenker bis AfD und noch darüber hinaus, um Bluttaten zum Anlass zu nehmen: Um sie für ihre eigene Agenda zu missbrauchen und auf Kosten der Opfer und ihren Angehörigen menschenverachtendes Polittheater für die eigenen Klientel aufzuführen. Dazu gehört stets, den Medien und ihrer Berichterstattung vorzuwerfen, sie würden die Herkunft des oder der Täter verschleiern wollen, um „die Wahrheit zu verdrehen“. Und dazu gehört, wann immer es möglich ist, „dem Feminismus“ bzw. „den Feministinnen“ vorzuwerfen, in solchen Fällen zu schweigen, sich zu wenig zu empören und sich aus politischer Korrektheit nicht zu trauen, Täter und Opfer, sowie die Nationalität des Täters zu benennen.

Hier war es möglich: Drei Frauen wurden getötet, drei lebensgefährlich verletzt, ein elfjähriges Mädchen schwer verletzt, eine weitere Frau leicht. Der Täter hat vor allem Frauen attackiert, verletzt und getötet. So viel steht fest. Was allerdings nicht feststeht, sind die Vorwürfe aus den Reihen derer, die sich für das Leid von Frauen und Femizide immer nur dann interessieren, wenn damit ihre rassistischen Tiraden munitionieren können. Die Medien haben gelernt, im Laufe solcher Schreckenstaten in den vergangenen Jahren, zum jeweiligen aktuellen Zeitpunkt sehr genau herauszuarbeiten, was sie wissen und was nicht, damit fehlerhafte und reißerische Berichterstattung vermieden werden kann.

Wir brauchen mehr Ressourcen, mit deren Hilfe Integration unterstützt und psychologische Betreuung Geflüchteter möglich gemacht wird, ohne psychische Erkrankungen zu stigmatisieren. Wir brauchen die Anerkennung von Femiziden in Deutschland als Problem, weil jeden Tag ein Mann versucht, seine Frau umzubringen, und es jeden dritten Tag einer schafft.

Aber Feminist*innen springen nicht über nationalistische Stöckchen rechter „Meinungsträger“, die sie mit aller Macht dabei erwischen wollen, sich nicht für Femizide und die Belange von Frauen zu interessieren. Weil Feminist*innen genau wissen, wer da spricht und worum es ihnen wirklich geht. Weil sich Feminist*innen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gleichen Leute, die auf sogenannten „Frauenmärschen“ weiß-deutsche Opfer für ihre Zwecke instrumentalisieren, nachdem sie ihre „Wer schützt uns vor Migranten-Gewalt?“ Plakate eingepackt haben wieder die anderen hervorholen.

Gerade weil Feminist*innen immer und überall gegen (sexualisierte) Gewalt sind, lassen sie sich nicht vor den Karren derjenigen spannen, die sie lediglich für ihre Weltanschauung nutzbar machen wollen. Die unter Krokodilstränen Orbans Ungarn loben, …

… aber sich in Wahrheit weder darum scheren, wie in diesem Land mit Minderheiten umgegangen wird, noch den Tatsachen Beachtung schenken, dass das ungarische Parlament die Istanbul-Konvention nicht ratifiziert und dass Ungarns Femizid-Katastrophe noch größer ist als die Deutschlands.

Jeder Femizid ist einer zu viel. Femizide sind zu viel, wenn ein 24-jähriger Geflüchteter aus Somalia auf Frauen und Mädchen einsticht, und sie sind zu viel, wenn ein 84-jähriger Rentner aus Berlin seine Frau mit 30 Hammerschlägen tötet. Wer Feminist*innen im Kampf gegen die Seuche Gewalt gegen Frauen unterstützen will, ist willkommen.

Aber sie – und damit WIR – werden niemals gemeinsame Sache mit denen machen, die Opfern von Gewalttaten erneut Gewalt antun, indem sie ihren widerlichen Rassismus in deren Leid kleiden, um möglichst massentauglich Empörung zu erzeugen. Wir werden niemals mit denen aufschreien, für die Gewalt gegen Frauen nur Mittel zum Zweck ist, um andere dazu aufzufordern, mit ihnen gemeinsam in rassistische Wut und Hass auf „Ausländer“ zu geraten. Wir werden niemals so tun, als hätte sich Deutschland das Problem Gewalt gegen Frauen und Femizide erst importieren müssen.

Bildquelle: Eric Ward / Unsplash

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