Ein neues Jahr! An unserer Bürowand hängt der Jahresplan. Der Schreibtisch ist aufgeräumt, wir sind hochmotiviert und starten. 2015! Das Jahr, in dem – ja, was?
Was wird das für ein Jahr? Ein besonderes! Wir nennen es das Realitätsjahr. Unser neues Realitätsgefühl möchten wir gerne mit euch teilen und erzählen, wie es dazu kam, dass wir 2015 so bezeichnen.
2012 war unser Gründungsjahr. Im Januar 2012 wusste ich noch nicht, dass ich im März meine Lehraufträge absagen und der Aufbau einer Nichtregierungsorganisation beginnen würde. Das passierte über Nacht, durch einen Leserbrief an die ZEIT. Der Rest des Jahres war mildes Chaos. Interviews, Vorträge, eine erste Web- und Facebook-Seite, eine Petition gegen rosa Überraschungseier und die ersten Fördergelder. Presseberatung und viele wunderbare Menschen, die man traf um zu fragen: Was machen wir hier eigentlich? Und wohin geht es?
2013 war das Aktionsjahr. Zum Start von Germanys Next Topmodel reisten wir mit unserem Straßentheater einmal quer durch Deutschland. Im Mai protestierten wir gegen das Barbie Dreamhouse und schickten es zurück nach Florida. Im September feierten wir die erste Demo gegen Sexismus in der Werbung am Brandenburger Tor. Wir warben um mehr Geld, erarbeiteten langfristige Strategien, um gegen Sexismus in der Werbung und Kinderspielzeug anzukämpfen, und schrieben ein erstes Organigramm. Inzwischen war klar, was wir können, und was wir nicht so gut können. Für letzteres holten wir uns noch mehr Beratung.
2014 war das Kampagnenjahr. Jetzt stand fest, dass wir drei Arbeitsschwerpunkte haben: Theaterarbeit, um Eltern und Kinder zu erreichen. Lobbyarbeit, um die Politik zu bewegen und Öffentlichkeitsarbeit, um auf öffentliche Meinung und Medien einzuwirken. Unsere Kampagnen dazu sahen so aus: Wir spielten in ca. 30 Klassenzimmern Theater gegen Gender-Mobbing und Schönheitswahn. Eltern und Kinder erreichten wir auch durch Vorträge und die Produktion von antisexistischen Büchern und Spielzeug. In der Politik wird unsere Gesetzesnorm gegen sexistische Werbung inzwischen von allen großen Frauenrechtsverbänden und bekannten Politiker*innen wie Elke Ferner (Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ) unterstützt. Dazu gab es 2014 viele gute Medienberichte. Unzählige Interviews, Presseaktionen, Facebook-Shitstorms, um Produkte vom Markt zu fegen, Flyer-Aktionen zu One Billion Rising und eine gelungene Demo zu GNTM in Köln hielten unsere Themen in den Nachrichten.
2015 gehören wir zu den bekannten Protestorganisationen Deutschlands. Im letzten Jahr generierten wir 70.000 Euro Spendengelder und hoffen, dass wir es dieses Jahr auf die gleiche Summe schaffen. Dann können wir unser kleines Büro halten, in dem ich täglich mit Jacob in Hamburg sitze, und unsere wenigen Mitarbeiter*innen und Honorarkräfte bezahlen. Unsere drei Schwerpunkte bleiben: Unsere Lobbyarbeit treiben wir mit regelmäßigen Fachgesprächen mit Politiker*innen voran. Dazu reisen ich und Berit ein paar Mal im Monat nach Berlin. Die Lobbyarbeit wird durch unsere Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Durch Flyer, Plakate, Unterschriftenlisten, Presseaktionen bleibt unsere Gesetzesnorm ein Aufreger und bleibt für die Medien interessant. Mit Vortragsreisen bringen wir sie in jeden Winkel des Landes. Nils kommt einen Tag die Woche aus Kiel zu uns ins Büro, um für uns zu Bloggen und mich in den sozialen Netzwerken zu unterstützen. Ehrenamtliche Helfer*innen tüten einmal die Woche Bergeweise Flyer ein, die wir bundesweit verschicken, damit über Alltagssexismus informiert wird.
Unsere Theaterpädagogin Blanca, die für unseren dritten Schwerpunkt zuständig ist, berichtet regelmäßig, was Kinder und Lehrer*innen zur Theaterarbeit sagen. Das Stück „Vielfalt ist Schönheit“, das Essstörungen thematisiert, spielen wir eigentlich nur ab 13 Jahre aufwärts. Immer mehr Lehrer*innen bitten uns, schon in die 6. Klassen zu kommen, weil sich schon die Kleinen in Topmodel-Größen hungern. Und weil die Anfrage aus südlichen Bundesländern so groß sind, werden wir diesen Sommer auf Theatertour gehen.
Und wieso jetzt Realitätsjahr? Weil wir in der Realität angekommen sind. In einem Jahresplan und einem Arbeitsmodus, der realistisch ist: Keine Selbstausbeutung bis zum Zusammenbruch, denn kranke Aktivist*innen können nichts bewirken. Da ich meine Arbeit für Pinkstinks durch abendliche Vorträge finanziere, muss ich schauen, dass ich maximal 20 Stunden im Büro bin. Zum Glück finanzieren unsere Spender*innen und Fördermitglieder Jacob mit 30 Stunden, der eine Wahnsinnsarbeit leistet: Unser Multitalent kann nicht nur Programmieren und Fundraisen, er ist auch noch ausgebildeter Campaigner und schreibt zudem grandios. Zusammen haben wir überlegt, was wir gemeinsam bewirken können, was ein machbarer Jahresplan ist. Der beinhaltet die professionelle und machbare Durchsetzung unserer drei Schwerpunkte, aber auch noch die eine oder andere mediale Überraschung. Das ist machbar, aufregend und effektiv. Und fühlt sich richtig gut an.
Wir freuen uns, wenn Du auch dieses Jahr wieder mit dabei bist, mit uns shitstormst, Flyer verteilst und Unterschriften sammelst oder unsere Theater-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit mit einer Spende oder Fördermitgliedschaft unterstützt. Damit wir machbar bleiben und machen können: Für eine Gesellschaft ohne Sexismus.
Ein frohes neues Jahr! wünschen Stevie und das Pinkstinks-Team