Photo by CEphoto, Uwe Aranas

Wie schwul darf’s denn sein, Österreich?

Vor zwei Wochen machte ein abgelehnter Asylantrag seine Runden durch das Netz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Österreich hatte den Antrag eines 18 jährigen schwulen Afghanen abgelehnt. Der Bescheid, den die österreichische Wochenzeitung Falter veröffentlichte, strotzte nur so vor Klischees. Dort hieß es unter anderem: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten.“ Oder auch: „Es wird berichtet, dass Sie öfter Auseinandersetzungen mit anderen Zimmergenossen hatten. Ein Aggressionspotential ist bei Ihnen also vorhanden, das bei einem Homosexuellen nicht zu erwarten wäre.“ Und: „Freunde hätten Sie nicht sehr viele (…). Sind Homosexuelle nicht eher gesellig?“. Die mediale Empörung über derart stumpfe Stereotype in einem offiziellen Behördendokument war groß, der Sachbearbeiter darf seither keine Asylanträge mehr bearbeiten, der Asylsuchende erhob Widerspruch.

Knapp zwei Wochen später wird ein weiterer negativer Bescheid öffentlich. Einem Iraker, der ebenfalls aufgrund von Homosexualität Schutz in Österreich sucht, wird gesagt, sein Verhalten sei zu „stereotypisch“, „überzogenen“ und „mädchenhaft“ und daher unglaubwürdig. Der Mann ist aktives Mitglied in der queeren Szene Österreichs und seit über acht Monaten als ehrenamtlicher Berater bei dem queeren Verein „Rosalila PantherInnen“ tätig.

Ja wie denn nun, Österreich? Wie schwul ist jetzt schwul genug? Während sich immer noch viel zu viele schwule Männer Gedanken darüber machen müssen, wie sie im Alltag „glaubhaft hetero“ rüberkommen, um sich selbst vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen (siehe #MeQueer), sollen sie jetzt bitte „glaubhaft schwul“ sein, um Schutz zu bekommen. Aber selbstverständlich auch nicht ZU schwul!

In den letzten Jahren gab es zahlreiche weitere Fälle, in denen Homosexuellen das Asyl mit zweifelhaften Argumenten verweigert wurde. 2016 hatte ein Syrer einen negativen Bescheid erhalten, weil in seiner Heimat „kaum jemand“ von seiner Orientierung wusste und ihm deswegen keine Verfolgung drohe. Im Klartext: „Wenn du dich nur einfach zusammenreißt und dein Leben auf einer Lüge aufbaust, dann wird dir auch nichts passieren.“

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Sexuelle Orientierung als Asylgrund verlässlich zu prüfen, ist quasi unmöglich. Platte Klischees und Stereotype als Maßstab für Glaubwürdigkeit anzulegen ist am Ende genauso präzise wie Würfeln – und außerdem verboten. Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung 2014 sehr deutlich gemacht, dass Behörden sich nicht auf Stereotype stützen dürfen. Darunter fallen auch die Bewertung von „Gang“, „Gehabe“ und „Kleidung“. Auch Fragen zu sexuellen Praktiken und psychologische Tests sind laut EuGH tabu. Alle Rückfragen an den Asylsuchenden müssen die Menschenwürde achten und sind ohnehin nur dann erlaubt, wenn die vorhergegangenen Aussagen des Antragstellers nicht plausibel sind. Außerdem sei die sexuelle Orientierung ein so wesentlicher Bestandteil der eigenen Identität, dass man Homosexuellen nicht zumuten könne, diese geheim zu halten, um eine Verfolgung in ihrem Heimatland zu vermeiden.

Und um am Ende noch mit dem Klischee aufzuräumen, Schwule seien wilde Partymäuse, nicht aggressiv und immer gesellig: Das Risiko von homo- und bisexuellen Männern für Depression und Suizid ist laut einer internationalen Studie bis zu acht Mal höher, als bei heterosexuellen Menschen. Gründe dafür sind drohende und tatsächliche Diskriminierungserfahrung, allgemeine Risikofaktoren wie eine höhere HIV-Rate oder geringere familiäre Unterstützung sowie geschlechtsrollenuntypisches Verhalten, was oft den Vorwurf nach sich zieht, kein „echter Mann“ zu sein und soziale Ausgrenzung zur Folge hat.


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