Wir sind keine Gebärmaschinen

Das hatte sich der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, anders vorgestellt: Junge Menschen, die selbstbestimmt darüber entscheiden, ob sie Kinder wollen passen offenbar überhaupt nicht in sein Weltbild. Also ließ er auf Twitter verlauten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht gebraucht würde und verlinkte auf ein entsprechenden Video von Deutschland3000, ein politisches Sendeformat des Online-Medienangebotes funk für Junge Leute.

Den Clip haben ARD und ZDF als Rechteinhaber mittlerweile in dem Maaßen-Tweet deaktivieren lassen. Anschauen kann man ihn sich trotzdem und das ist auch gut so.

Denn so offen kommen Personen, die keine Kinder wollen, selten zu Wort. Ob sie nun Karriere machen möchten, kein Interesse an dieser Art Verantwortung haben, mit Kindern nichts anfangen können oder irgendeinen anderen Grund haben, keine Kinder zu bekommen, haben andere nicht über ihre Köpfe hinweg als ausreichend relevant einzustufen oder als ungenügend abzustempeln. Die Entscheidung liegt einzig und allein bei den Betroffenen. Alles andere degradiert sie zu Gebärmaschinen, die sich für einen anderen als den eigenen Willen zur Verfügung zu stellen haben, um möglichst viele Kinder zu produzieren. Wenig überraschend entspricht das der Auffassung jener neurechter Kreise, mit denen sich Maaßen seit geraumer Zeit offen assoziiert. Und so sind dann auch Meldungen aus der entsprechenden Presseecke nicht weit.

Da wird die „Abtreibungslobby“ heraufbeschworen, vor den Gefahren einer „verirrten Familienpolitik“ gewarnt und die selbstbestimmte Entscheidung für eine Sterilisation skandalisiert. Neben all den Variationen von „Wie kann sie nur?! schwingt immer auch ein hohes Maß an „Wer hat ihr das eigentlich erlaubt?!“ mit. Die Rechten offenbar nicht. Was die wirklich wollen, sollte inzwischen allen klar sein: Nämlich dass weiße Deutsche, die sie als „volksdeutsch“ identifizieren, möglichst viele „neue Deutsche“ produzieren.

Ob sie daran überhaupt ein Interesse haben, ist dabei vollkommen unerheblich. Deshalb ertragen stramm rechtskonservative Kreise die Aussagen der 24 jährigen Lysann anscheinend besonders schwer. Denn die weiß genau, was sie will, beziehungsweise was sie nicht will – und spricht auch nicht das erste Mal öffentlich darüber.

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Außerdem thematisiert sie explizit das Thema Reue und spricht sich klar dafür aus, dass andere nicht für Betroffene entscheiden können, ob eine spätere mögliche Reue als Grund herangezogen werden kann, um ihnen die Sterilisation zu verweigern. Denn das geschieht in Deutschland aktuell: Ärzt*innen zu finden, die einen entsprechenden Eingriff bei Unter-35-Jährigen vornehmen erweist sich als schwierig. Und selbstverständlich stimmt es, dass sie es bereuen könnten, sich medizinisch unfruchtbar gemacht haben zu lassen. Genauso gut könnten sie aber auch bereuen, Kinder bekommen zu haben. Das hat nicht zuletzt die Debatte um Regretting Motherhood gezeigt.

Es ist also unerheblich, von wo man das Ganze angeht. Ob man sich nun an die Seite von Menschen stellt, die keinen Kinderwunsch haben, oder an die Seite derer, die für Kinder Verantwortung tragen: Es ist die gleiche Seite. Es sind die gleichen reproduktiven Selbstbestimmungsrechte, die von Maaßen und Konsorten immer wieder unter Beschuss genommen werden. Gerne mit Verweisen darauf, wie besorgt man angeblich um die Rechte und den Schutz von Frauen sei.

Aber auch darauf kann nicht oft genug hingewiesen werden: Das unterstellte Frauenbild derjenigen, vor denen uns die AfD ihren Angaben zufolge schützen will, weist erschreckende Parallelen zu ihrem eigenen auf. Es ist, wie der Soziologe Abram de Swaan sagt, als träte man „in eine Pfütze hasserfüllter Äußerungen“. Wenn Menschen mit Uterus also keine Gebärmaschinen sind – und das steht überhaupt nicht zur Debatte – dann haben Lysann und alle anderen auch das Recht auf eine Sterilisation. Ein Recht, das alle, die sich für Gleichberechtigung und emanzipatorische Werte einsetzen, verteidigen sollten.

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