Wohin geht es, Werberat?

 

Vielleicht erinnert ihr euch: Im November 2013 beschwerte sich Nils über eine Werbung für Hanfseile, die mit einer halbnackten Frau beworben wurden. Nein, auch hier störte uns nicht per se, dass Menschen in mancher Werbung fast nichts anhaben, sondern dass etwaige Produkte mit sexuell verfügbar wirkenden Frauen beworben werden, als seien sie Dekorationsobjekte.

Im Februar 2014 verschickten wir anlässlich One Billion Rising 20.000 Flyer, um unser Anliegen an den Werberat publik zu machen: Dringend müsse er ein Kriterium auf seiner Seite ergänzen, das die Bewerbung etwaiger Produkte mit sexualisierten Körpern verbietet, so lange kein Produktbezug zu erkennen ist.

Anfang März durfte ich in der Bezirksverwaltung Friedrichshain-Kreuzberg (Berlin) mit dem Werberat und dem Amt für Werbefreiheit und gutes Leben im Podium sitzen. Dort versprach der Werberat öffentlich, unser vorgeschlagenes Kriterium zu prüfen. Zehn Tage später rügte der Werberat tatsächlich die von uns kritisierte Seile-Werbung, zusammen mit zwei weiteren Werbemotiven. In allen drei Fällen rügte der Werberat dezidiert mit diesem Wortlaut: „Der Werberat stufte die Werbung als sexistisch und frauendiskriminierend ein, da ohne Produktzusammenhang eine halbnackte Frau mit ihrem Körper als Blickfang benutzt werde.“ Auch von der Presse wurde dieser Schritt wahrgenommen.

Was ist nun aus den „geilen Seilen“ geworden?

hanfseile

Die Geschmäcker sind verschieden, und nicht jeder freut sich über die Besserung. Generell spricht nichts dagegen, dass eine Frau in einem Stall auf Seilen sitzt – wenn man nicht das Gefühl hätte, sie säße da immer noch als sexualisierte Dekoration. Und doch ist hier ganz klar ein Fortschritt zur ersten Version zu sehen. Auch hier sind Beine und Oberweite ein Blickfang, jedoch auch Bluse und Stallsituation, und im Vergleich zur ersteren Version der Firma ist der sexualisierte Körper nicht zentral. Der Werberat könnte die Firma ermahnen, dass sie an der Grenze sind. Aber einen Fortschritt haben sie erwirkt.

Aber genau hier hören wir Kritiker*innen „Zensur!“ rufen: Wo genau fängt das denn an, das Zuviel an Sexualisierung, und wo hört es auf? Wie viel Bein, wie viel Busen, welcher Blick ist erlaubt?

Eben da braucht es eine Diskussion, die der Werberat jeder Beurteilung von Werbung zugrunde legt: Es müsse die „aktuell herrschende Auffassung über Sitte, Anstand und Moral in der Gesellschaft“ überprüft werden. Richtig, die ist weit. Trotzdem braucht es neben klaren und verlässlichen Kriterien ein kompetentes und flexibles Gremium, das eine gute Mitte in dieser Weite definieren und gleichzeitig eine gewisse Grenze verteidigen kann. Man wäre fast bewogen, dem Werberat Schritte zur Erreichung einer solchen Kompetenz zu attestieren, wenn die zwei großen Fragezeichen nicht wären:

1.) Warum wird das Kriterium, mit dem schon die „geile Seile“ – Werbung und andere gerügt wurden, nicht auf der Webseite des Werberats fest etabliert?

2.) Warum sind diese Werbekampagnen immer noch möglich?

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Man kann die beiden Fragen zusammen beantworten: Solange der Werberat sich nicht fest zu dem verwendeten Kriterium bekennt, kann es mal angewendet, mal nicht angewendet werden. Und das wissen auch die Werbeproduzent*innen. Gerade deshalb brauchen wir es fest etabliert im Wettbewerbsgesetz, damit ein für allemal klar ist: Frauen sind keine Objekte zur sexuellen Verfügbarkeit. Es muss laut und sichtbar eine Grundregel werden, an die man sich zu halten hat.

Foto Titel: Christina Palitzsch