How To: Geschlechtersensibel Erziehen

How to: Gendersensibel erziehen

Sexualwissenschaftlerin Christiane Kolb denkt für PINKSTINKS in der Schule gegen Sexismus laut darüber nach, was erziehenden Personen im Alltag gegen Stereotype hilft und wie geschlechtergerechte(re) Erziehung klappen kann.

„Du siehst ja super aus, hübsch!“, höre ich mich sagen. Und könnte mir auf die Zunge beißen. Meine 16-Jährige steuert ihren Look sicher und stereotypisch weiblich. Kennt ihr das auch? Ihr sagt einen Satz zum Kind und denkt noch beim Aussprechen: Oh je, ich bediene ein Klischee. Dabei will ich mein Kind gerade nicht aufs Aussehen und Gefallenwollen reduzieren. Mache ich alles falsch?

Ich denke, so wie mir geht es vielen Eltern und erziehenden Personen. Wir wollen geschlechtergerecht erziehen. Und trotz allem Wissen stolpern immer wieder über Klischees. Mich ärgert meine Unklarheit doppelt, denn ich habe Angewandte Sexualwissenschaft studiert und gebe mein Wissen zu Sexualität und Geschlechtern an Eltern weiter. Wie hier.

Genau deswegen möchte ich ein paar Gedanken teilen. Denn es gibt Ansätze, die im Alltag helfen, gegen den enormen Sog der Klischees “typisch männlich” und “typisch weiblich” anzukommen. Meine Vorschläge funktionieren wie kleine Weckrufe im Kopf. Ping, ein Mini-Alarm! Dann können wir kurz nachdenken, uns nicht verurteilen, sondern innerlich zulächeln – und dann einen Schritt weiter gehen. Wir können ein Stück geschlechtsoffener handeln. Hier sind drei Ideen dazu:

1. Eigene Stereotype im Kopf überwinden 

Eines fällt mir oft auf: Wenn ich Klischees bediene, passiert das meist unwillkürlich. Wir handeln in Erziehungssituationen wie auf Autopilot. Die Reaktion ist sofort da, ohne nachzudenken. Oft bemerken wir anschließend, dass wir eigentlich anders handeln wollten. Was uns leitet, sind alte Glaubenssätze aus unserer eigenen Kindheit. 

Diesen Mechanismus beschreibt die britische Psychotherapeutin Philippa Perry in ihrem Bestseller „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)“, erschienen im Ullstein-Verlag. Perry erklärt, dass wir in der Erziehung unwillkürlich Regeln aus unserer eigenen Erziehung anwenden. Und gerade bei den Stereotypen rund um die Geschlechter haben wir viele vermeintliche „Gesetze“ zu Mann und Frau quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Sie wurden uns vorgelebt, wir mussten uns anpassen. 

Heute sind wir natürlich weiter im Bewusstsein – und reagieren trotzdem oft „aus dem Bauch heraus“ auf Basis tief gefühlter, alter Glaubenssätze. Genau wie ich mit: „Du siehst ja super aus!“ Hier sind paar Beispiele, wie die alten Vorstellungen von “richtig” und “falsch” für das jeweilige Geschlecht weitergegeben werden:

  • Vor allem Frauen sprechen über Körper und Liebe mit Kindern. 
  • Viele Erwachsene zögern, mit Männern und Jungen über Themen zu sprechen wie Kochen, Putzen, intime und soziale Fragen.
  • Gefühle werden häufiger mit Mädchen thematisiert, weniger mit Jungen. Auch Gefühle zu zeigen wird oft unterschiedlich bewertet.
  • Kindern ihren Penis zu erklären, scheint einfach. Bei Kindern ihre Vulva oder Klitoris zu benennen, fühlt sich für viele fremd an. 

Studien zeigen übrigens, dass selbst Eltern und Erzieher*innen, die sich vornehmen, geschlechtergerecht zu erziehen, stärker in Klischees zurückfallen als sie selbst denken. Es passiert allen. Erst wenn wir die entsprechenden Dinosaurier-Spuren aus der Erziehungs-Urzeit erkennen, können wir bewusster damit umgehen.

SCHAUT EUCH HIER UNSER VIDEO ZUM THEMA AN:

Hier kannst du unser Video auch auf Vimeo schauen. 
Du willst das Video teilen? Dann schau doch mal auf Instagram oder Facebook.


Unsere Gesellschaft ordnet uns je nach Geschlecht bestimmte Rollen zu, mit denen (vermeintliche) Rechte, Pflichten und Fähigkeiten einhergehen. Wenn wir in unseren Texten von Frauen oder Mädchen bzw. Männern oder Jungs sprechen, beziehen wir uns auf diese strukturellen und stereotypen Rollen und nicht auf ihre tatsächliche Geschlechtsidentität. Das gleiche gilt, wenn wir die Adjektive „weiblich“ oder „männlich“ verwenden.

Kommentare zu diesem Text könnt ihr uns in unseren Netzwerken hinterlassen und dort mit fast 140.000 Menschen teilen!

Bildquelle: istock, Orbon Alija

Abonniere unser kostenloses Onlinemagazin!

Erhalte das Magazin 2x im Monat!

Fast geschafft! Um deine Mail-Adresse zu überprüfen, haben wir dir gerade eine E-Mail geschickt. Bitte klicke dort zur Bestätigung auf den Link, damit wir dich im Verteiler willkommen heißen können. DANKE!