Modellvortrag „Pinkstinks“ für Eltern in Kindergärten / Schulen:
Diesen Vortrag kannst du in Kreisen, in denen du gerne über Pinkstinks Themen informieren oder diskutieren möchtest, in ca. zehn Minuten vorlesen.
Wieso lieben Mädchen Pink?
Seit Juli 2012 gibt es die Initiative Pinkstinks Germany, eine Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien, die Mädchen und Jungen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen. In den nächsten zehn Minuten könnt ihr mehr über die Hintergründe dieser Kampagne erfahren.
Seit Jahrtausenden haben wir ein klares Bild von dem, wie Mann und Frau sein sollten: „Männer sind stark. Kleine Jungen brauchen mehr Bewegung als Mädchen, weil sie mehr Muskeln haben. Sie brauchen Spielzeug, mit dem man kämpfen kann. Mädchen wollen Mütter werden, deshalb spielen sie schon früh mit Puppen. Männer gehen jagen, deshalb ist ihnen schöne Kleidung nicht so wichtig. Frauen sitzen am Lagerfeuer, bereiten das Essen zu und warten auf den Mann. Sie machen sich gerne schön, weil das in ihrer Natur liegt.“
Doch die moderne Archäologie, die aktuelle Hirn- und Hormonforschung, sehen das etwas anders.
Es wird heute stark bezweifelt, dass es nur Männer waren, die in der Steinzeit jagen gingen. Große Wildtiere hätten sie in den kleinen Sippen ohne die Frauen nicht erledigen können. Ebenso waren sicherlich auch Männer an Tätigkeiten beteiligt, die man traditionell den Frauen zuordnet. Auch die moderne Hormonforschung ist verwirrt: Die Männchen der Japan-Makaken (Affenart) scheuchen Weibchen von ihren Jungtieren weg und kümmern sich selbst um sie, obwohl sie genauso viel Testosteron haben wie andere Affenmännchen, die sich nie um Jungtiere kümmern würden. Nach neuen Studien greifen die alten „Wahrheiten“ über den weiblichen und männlichen Hormonhaushalt nicht mehr. Wir wissen, dass sich die Männer der Tuareg in Afrika für Frauen schminken. Und die Hirnforschung belegt ganz klar, dass wir keine männlichen und weiblichen Gehirne haben – die Zentren für räumliches Denken oder soziales Verhalten entwickeln sich erst durch unsere Erziehung verschieden stark.
Spielwarenwelt
Diese neuen Forschungen werden aber nicht gerne gehört. Viele Eltern sehen ihre Kinder gerne in rosa und blau, weil es die Rollenbilder bestätigt, mit denen sie selber aufgewachsen sind. Von klein auf wird uns antrainiert, darauf acht zu geben, dass wir männlich oder weiblich erscheinen. Wir haben uns in einer Ordnung eingerichtet, in denen Männer nicht weiblich wirken dürfen (dann werden sie als „schwul“ bezeichnet, und das ist nicht gewünscht), und diese Ordnung hält nach wie vor eine Arbeitsteilung aufrecht, von der von Bundeshaushalt über Kosmetik- bis Spielwarenwelt viele profitieren. Insofern ist es mehr als verständlich, dass Menschen ihr Geschlecht nicht „durcheinander“ gebracht haben wollen: Ein ganzes, über die Kindheit etabliertes Selbstgefühl hängt davon ab.
Wir wollen auch niemanden aufzwingen, seine Töchter nicht mit Barbie spielen zu lassen. Wir wollen lediglich aufweisen, warum sie das tun, und was es für unsere Welt bedeutet.
Insbesondere seit den 80er Jahren hat Pink als Identifikationsfarbe für Mädchen zugenommen. Wie kommt das? 1960 kam die Anti-Baby-Pille auf den Markt und gab der wachsenden Frauenbewegung Anschub. Mit dieser wurde jedoch auch das Schönheitsideal für Frauen dünner, was drei Gründe hat. Erstens kam das Wirtschaftswunder: In fülligen Zeiten ist Dünnsein erstrebenswert, in mageren ist es umgekehrt. Zweitens signalisierte Dünnsein auch Aufbruch und Leichtigkeit, Nächte durchtanzen und Mahlzeiten überspringen (oder erst gar nicht kochen). Es passte zu dem neuen Lebensgefühl der Jugendkulturen.
Drittens waren Frauen das erste Mal so mächtig wie noch nie, was nach einer jahrtausendlangen Kulturgeschichte der Unterdrückung Angst machte – nicht nur den Männern. Das erste Magermodel Twiggy suggerierte in den 60ern einen Rückzug in eine Rolle (jung, niedlich, äußerst zart, beschützt werden müssen) in die sich auch die verunsicherten Frauen dieser neuen Generation flüchten konnten. Hatte man doch noch von Urgroßmutter und Mutter gehört, dass man es dem Mann recht machen und auf einen Prinzen warten sollte, konnte man auf einmal eigenes Geld verdienen und Sex genießen, ohne schwanger zu werden, wenn man wollte. Zuviel Freiheit macht Angst.
Diese Angst, dieses Gefühl von „zurück in sichere Bahnen und klare Rollen“, griff die Mode- und Spielzeugindustrie der 80er Jahre auf. Mit sinkenden Geburtenraten dank Pillenknick musste überlegt werden, wie Konsum zu steigern sei. Durch zwei Farben und klaren Geschlechterrollen waren Opa und Tante schneller klar, was dem Kind mitgebracht werden konnte und das Geschenk schneller gekauft. Anfang des neuen Jahrtausends wurde dann mit klaren Idolen wie Lillifee oder Cäpt’n Sharky ein Konsumimperium aufgebaut, von denen man nie genug Accessoires haben konnte, und im Kinderzimmer häufte sich alles doppelt und in zwei Farben.
Wenigstens gab es nun Mädchen, die keine „Emanzen“ sondern „süß“ waren, die gekuschelt werden und soziales Verhalten zeigten, während Jungs mit ihren Star Wars Figuren in Baller-Geräuschkulissen verschwanden. Denken wir zurück an die 70er Jahre: Sollte man dem Mädchen eine Puppe mitbringen? Oder einen Chemiebaukasten? Vielleicht sogar Bauklötze oder Lego? Diese zeitaufwendigen Überlegungen bleiben der Patentante heute erspart: Spiegelburg weist mit großen Regalen in allen Kaufhäusern die Suchende direkt zur Lösung: Lillifee für sie, Sharky für ihn.
Lillifee ist eine Elfe, die einen befliegbaren Kleiderschrank hat und sich neben Aussehen um ihre Tiere kümmert. Sie ist schmal, leicht, und lieb. Cäpt’n Sharky hingegen darf Raum einnehmen, der kleine Pirat hat Fleisch auf den Rippen. Mit seinen propperen Füßen steht er fest auf der Erde und erlebt Abenteuer, für die es z.B. das passende Ausgrabungsset gibt. Wenn oft gekontert wird, die rosa Phase ginge vorbei, ist es doch interessant, dass 62% aller Mädchen schon ab 11 Jahren Germanys Next Top Model schauen und sich gefallen lassen, dass andere Mädchen in dieser Sendung nach ihrem Äußeren beurteilt werden, erniedrigende Dienste erweisen müssen und oft als zu dick bezeichnet werden. Sie lesen ab 10 Jahren die BRAVO und lassen sich vorschreiben, wie ihr Schambereich auszusehen hat. Der Effekt ist drastisch: Über die Hälfte der deutschen Mädchen fühlt sich in ihren Körpern unwohl. Frage: Wären sie für diesen Druck, den sie erleben, so empfänglich, wenn sie als Kleinkind mit einer Kapitänin Sharky gespielt hätten und dafür allgemeine Anerkennung bekommen hätten? (Oder noch mal anders: Würden Frauen in jungen Familien ständig „typisch Mann!“ schimpfen, wenn Männer schon als Kinder von Spiegelburgs Marketingabteilung mit einer Jungspuppe verführt worden wären und das Elternsein schon mal hätten proben können?)
Natürlich geht die rosa Phase vorbei. Bleiben tut aber von der frühen Begegnung mit Lillifee, Barbie und Polly Pocket eine Identifikation mit äußeren Werten und Eigenschaften wie lieb und niedlich sein. Mit einem rehhaften Augenaufschlag wird später versucht Konflikte zu lösen, so erzählen Sozialarbeiter, anstatt eine klare Ansage zu machen. Und das macht anfällig und tolerant für die Akzeptanz von sexistischer Werbung und Kultur.
Natürlich schafft das nicht Barbie alleine. Viele Frauen haben mit ihr gespielt, ohne Essstörungen zu entwickeln. Und die Erfahrungen der Kindheit, die meist Modell für die Erziehung der eigenen Kinder steht, werden dann auch nicht kritisiert. Aber Barbie ist Teil eines Frauenbildes, das letztendlich auch für schwächere Gehälter und einem scheinbar genetischem Interesse für das Schönmachen steht.
Wenn man Kindern auch andere Ideale vorlebt, ist viel gewonnen. Oft hören wir: „Ach komm, es kommt doch auf’s Elternhaus an.“ Natürlich haben viele Kinder Mütter, die arbeiten und Väter, die den Haushalt gleichberechtigt mit führen. Väter, die nähen können, und Mütter mit Bohrmaschinen in der Hand. Mütter, die ungeschminkt aus dem Haus gehen, und Väter, die mit ihren Kindern Einkaufsladen spielen. Aber mal ehrlich: Das ist immer noch die Minderheit. Und auch, wenn Mütter inzwischen in den Vorständen von Marketingabteilungen sitzen, die genau diese sexistische Kultur reproduzieren, weil sie sich ebenso gut verkaufen lässt, ist daraus nichts gewonnen. Die Hälfte aller Mädchen fühlt sich immer noch unwohl in ihren Körpern. Der Großteil Deutschlands glaubt immer noch an ein Rosa-Gen. Die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung steht unter einem Schönheitszwang, der ihnen von allen Leuchtreklametableaus entgegen strahlt. Und diese ganze Erniedrigung bewegt auch die Vorstände nicht, Frauen ernst zu nehmen und ihnen höhere Gehälter auszuzahlen.
Pinkstinks macht auf diese Zusammenhänge aufmerksam. Weiter informieren könnt ihr euch unter www.pinkstinks.de und www.facebook.com/PinkstinksGermany. Danke für’s Zuhören.