„Spieglein, Spieglein, an der Wand – wer ist die beste Feministin im ganzen Land?“ Auch wenn die Medien zu gerne eine neue Alice Schwarzer hätten, sind sich viele jüngere Feminist*innen einig, dass wir die eine Stimme des Feminismus gar nicht brauchen und wollen. Und zum Glück gibt es gerade zur Zeit viele wunderbare Publikationen, die sich teilweise überlappen und damit gegenseitig bestätigen, sich aber auch ergänzen und neue Themen aufmachen. Genau so sollte es sein.
Nun ist Katrin Rönickes Buch „Bitte freimachen! Eine Anleitung zur Emanzipation“ (Metrolit Verlag, Berlin 2015) endlich da. Die Journalistin, Podcasterin und Bloggerin (Frau Lila) ist eine Aktivistin der „ersten Stunde“ des Netzfeminismus. Ich muss gestehen: Bräuchten wir wirklich für manch eine Talkshow oder einen Stern-Cover die eine Repräsentationsfigur des Feminismus, wäre sie für mich definitiv eine Favoritin. Schon lange bin ich ein großer Fan ihres Podcasts „Frau Lila“ mit Susanne Klingner und Barbara Streidl, in dem sie, wie auch in diesem Buch, von Thema zu Thema gleitet (Intimrasur, Bundestag, Verhütung u.v.m.), aufklärt, hinterfragt und informiert, ohne immer eine feste und abschließende Meinung haben zu müssen. Die dürfen sich Leser*innen selber formen, nachdem sie durch viel Hintergrundinformationen zum Denken eingeladen wurden. Was ich auch mag, ist dass sie ohne die vielen „Bääm!“s und „F*ck you!“s auskommt, die in letzter Zeit in der Netzsprache etwas überhand genommen haben. Wer Rönickes Podcast kennt und ihre melodische, sanfte und gleichzeitig anregende Stimme kennt, der kann sich vorstellen, wie sich ihr Buch liest: Wie ein Spaziergang mit einer geliebten und schlauen Freundin, mit der man nicht aufhören möchte, die Welt zu ordnen. Also mehr „Genau, so machen wir das!“ anstatt sich ohnmächtig, aufgeheizt und aggressiv zu fühlen.
Gleichzeitig ist das Buch kein Wellness-Feminismus. Unglaublich mutig mischt Rönicke ihre Informationsflut mit Berichten aus und Bezug zu ihrer eigenen Biografie. Wir wissen zum Schluss, wie ihre Schamhaare aussehen, was ihre Sehnsüchte sind und dass sie weiß, wovon sie spricht, wenn es um Essstörungen geht. Es ist aber eben auch kein Betroffenheitsbuch. Sehr ehrlich spricht sie die toxischen Kriege im deutschen Netzfeminismus an, unter denen viele zu leiden haben. Ihr Fazit: Sich gegenseitig verzeihen, nicht nachtragen und immer wieder neu beginnen. Das ist groß und beeindruckt mich. Rönicke zitierte auf Selfies oder Portraitbildern schon oft die Tochter der Mymla aus den Mumin-Büchern, ein autarkes, freiheitsstrebendes und auch mal widerspenstiges Wesen, das man einfach mögen muss. Das passt gut: So eigen, mutig und schlau wie Mumins „Mü“ liest sich Katrin Rönicke allemal.
Stevie Schmiedel