Diskriminierung aus Unwissen

Pinkstinks ist sehr viel kleiner, als die meisten von euch denken. Vor sechs Jahren im Wohnzimmer entstanden besteht unsere kleine Organisation heute aus vier Mitarbeitenden á 30 Wochenstunden und zwei Werkstudentinnen. Trotzdem feiern wir uns manchmal, als wären wir Kolumbus: Als hätten wir den Atlantik schon bezwungen und die Ureinwohner Amerikas schon zivilisiert.

Die meisten von euch sind jetzt hoffentlich zusammengeschreckt und haben sich gedacht: Spinnt die? Hat jemand Pinkstinks gekapert? Nein: Das war ein bewusst gewähltes, unglaublich rassistisches, kolonialistisches Beispiel, das nicht in unser Repertoire gehört. Ich wollte nur nachzeichnen, wie es im Mainstream dieser Welt zugeht – da fallen diese Sätze salopp, stolz und locker zu Hauf. Denn wie der Absatz eigentlich enden sollte, war so: Trotzdem feiern wir uns manchmal, als hätten wir in sechs Jahren die Werbewirtschaft bekehrt und wären die Größten. Sind wir aber nicht. Denn Rassismus und Sexismus sind noch ständig und überall präsent.

Oben genannte kolonialistische Beispiele fallen selten, um zu provozieren und bewusst rassistisch zu sein. Sie fallen bei Menschen, die sich selbst als progressiv und modern bezeichnen, diese Bildsprache gibt es bei Agenturen und Marken, die nicht wissen, dass man „so etwas heute nicht mehr sagt“ und warum das so ist. Wenn Nils täglich bei (oft kleinen, mittelständischen) Unternehmen anruft und fragt, ob ihnen bewusst ist, dass ihre Werbung sexistisch sei, sind die oft verwundert. „Das müssen sie mir erklären. Meine Frau / die Frauen in unserer Marketingabteilung / unsere Kundinnen fand(en) das ganz schick“. Nach einem freundlichen Gespräch ist es schon öfter passiert, dass die Werbung zurückgezogen oder verändert wurde. Manchmal haben wir mit dem intensiven Gespräch (mit dem Logo des Bundesfamilienministeriums auf unserer Werbemelder*in im Rücken) bei manchen Unternehmen mehr Erfolg als mit einem wütender Eintrag auf Facebook, den es – im schlimmsten Fall – gar nicht mitbekommt. Was nicht heißt, dass wir nicht nach wie vor eine Protestorganisation sind und laut protestieren, wenn es nötig ist. Wir lernen aber, dass die wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe, selbst mit Menschen, denen wir Diskriminierung vorwerfen, tatsächlich produktiv ist.

„Mit den Ärschen sprecht ihr?“ – auch diese Einstellung können wir verstehen. Und tatsächlich ist es schwer, das Unwissen erst mal als gegeben hinzunehmen, gerade bei Menschen, die (Werbe-)Macht haben. Aber auch die leben in Blasen, selbst, wenn es ätzend mächtige sind. Bei der einen oder anderen (Werbe-)Veranstaltung, bei der wir in letzter Zeit geladen waren, stand unsere Kinnlade weit offen, während ganze Auditorien jubelten und sich freuten. Wieder einmal merkten wir: Was unsere Blase als sexistisch oder rassistisch begreift, finden andere „ganz normal“. Man erinnere Anja Reschkes entsetzten Kommentar zum Deutschen Fernsehpreis, als weiße Frauen in Bananenröcken und mit Troddeln an den Brüsten eine Josephine Baker nachahmten, die diese Eigeninszenierung in den 1930er Jahren nur deshalb wählte, weil sie als Frau of Colour die „Wilde“ mimen musste, um Gehör zu finden.

Ich persönlich verstehe keine acht Oskars für „La La Land“, einer Hommage an das musikalische Hollywood-Kino, wie dem Tänzer und Sänger Fred Astaire, der mit der Figur „Bojangles“ aus „Swing Time“ den Klassiker des Blackfacing kreierte.

Bilder, bei denen wir alle „Au!“ schreien, weil sie uns physisch weh tun und wütend machen, sind für andere ohne bösen Inhalt sondern einfach „Geschichte“. Sie auf die politische Konsequenz und Aussage des Gesehenen aufmerksam zu machen ist umso schwieriger, wenn selbst der deutsche Wikipedia-Eintrag zu „Swing Time“ die rassistische Konnotation mit keinem Wort erwähnt (obwohl die Rassismus-kritische Autorin Zadie Smith einen hoch prämierten und internationalen Bestseller unter dem Titel  geschrieben hat). Nicht verwunderlich, dass Women of Colour heute noch immer darauf hinweisen müssen, dass sie täglich Diskriminerung erfahren.

Und diese Diskriminierung wird mit jeder Inszenierung von Menschen of Colour, mit Migrationshintergrund und / oder Frauen als weniger mächtig als weiße deutsche Männer, egal wie „gut“ das gemeint war, wiederholt und verfestigt. Gerade in Deutschland und trotz unserer Geschichte haben wir noch unglaublich viel vor uns. Herrn Seehofer erklären, dass ein rein männliche, weiße Führung des Innenministeriums wenig mit „Heimat“ zu tun haben sollte. Der CSU erklären, dass der Islam zu Deutschland gehört.

Und immer wieder dabei zeigen, dass nein, wir nicht prüde, zu ernst oder kompliziert sind, sondern ganz viel Spaß verstehen.

Hilft ja nüscht. Also weiter im Text, mit Respekt und Freundlichkeit.

PS: Ob ihr eure Traumfänger an den Wänden behalten dürft, müsst ihr jetzt leider selbst klären. Mein Kinder haben welche. Debatten um kulturelle Aneignung müssen wir weiter führen und darin schwimmen. Aber wenigstens tun wir das.

Foto: Dyaa Eldin