Erste Erfolge der Werbemelder*in

Letztes Jahr im Herbst startete unsere Werbemelder*in und wir finden, es ist höchste Zeit euch zu zeigen, wie wir mit diesem Tool arbeiten und was genau es bringt. Zunächst ein großes Lob an euch: Ohne euch und eure zahlreichen Einreichungen wäre unsere Karte immer noch leer. In der Planung der Werbemelder*in hatten wir auch die Möglichkeit durchgespielt, wie wir damit umgehen, wenn sie auf wenig Resonanz stößt.


Screenshot vom 27.10.2017

Tatsächlich zeigte sich jedoch sehr schnell, dass die Werbemelder*in einen Nerv trifft.


Screenshot vom 26.04.2018

Und zwar nicht nur bei den Nutzer*innen, sondern auch bei der Presse, die das Projekt von Anfang an mit großem Interesse verfolgt hat.

Nach einigen technischen Schwierigkeiten, Hackerangriffen und anderen unvorhergesehen Querschlägen haben wir schnell gemerkt, dass die Werbemelder*in wirkt und uns genau die Informationen liefert, die wir zuvor gar nicht oder bestenfalls schwammig eruieren konnten:

Wo findet sexistische Werbung statt?
Welche Ausmaße hat das Problem?
Welche Produkte sind vor allem betroffen?
Wie reagieren die Verantwortlichen?
Wie ist dem beizukommen?

Um nur einige Fragen zu nennen.

Die Ausmaße sind enorm. Selbst wenn man berücksichtigt, dass wir aus der Flut an Einreichungen eine große Anzahl aussortieren müssen, bleibt immer noch reichlich Anschauungsmaterial, um zu zeigen wie sexistisch Deutschland wirbt.

Die hohe Anzahl an abgelehnten Einreichungen erklärt sich durch unseren bewusst eng gewählten Fokus. Nur Wirtschaftswerbung aus Deutschland kommt überhaupt in Frage. Parteienwerbung

fällt ebenso raus wie Vereinswerbung, Werbung aus der Schweiz und Österreich, sowie redaktionelle Berichterstattung. Und natürlich müssen wir auch anfallenden Spam und die Ihr Feminazis gehört mal wieder ordentlich durchgef*** Einreichungen sichten, um sie wegzusortieren.

Wenn das erledigt ist können wir uns an die eigentliche Arbeit machen, und die ist hochspannend, belastend und teilweise ziemlich überraschend. So hätten wir nicht gedacht, dass die Andeutung von Übergriffigkeit und sexualisierter Gewalt immer noch Platz in der Werbung hat. Aber auch 2017/18 ist sich Werbung in Deutschland offenbar nicht zu schade dafür bei Frauen zupacken

und sie benutzen zu wollen.

Für solche Motive muss ebenso eine Kategorie aufgemacht werden wie für Unterwäschewerbung, Frauen als Beilage, Sexismus auf Rädern oder auch einzelne Firmen, die häufiger auffallen.

689 hauptsächlich sexistische Motive verteilen sich auf 40 Kategorien. Darunter auch eine Kategorie wie absurder Sexismus, von der wir nicht geglaubt hätten, dass wir sie brauchen. Aber manche Sachen sind einfach so dämlich, dass einem dazu nichts mehr einfällt.

Da die einzelnen Kategorien unterschiedlich stark mit Motiven bestückt sind, macht es Sinn, sie insgesamt aufzuschlüsseln.

Knapp die Hälfte aller akzeptierten Einreichungen ist sexistisch. Die Kriterien wie

  1. Geschlechtsbezogenes Über-/Unterordnungsverhältnis
  2. Ausschließliche Zuordnung von Eigenschaften, Fähigkeiten und soziale Rollen in Familie und Beruf aufgrund von Geschlecht
  3. Sexuelle Anziehung als ausschließlicher Wert von Frauen
  4. Suggerierung von sexueller Verfügbarkeit

erfüllen die anderen nicht. Dies zu entscheiden ist nicht immer einfach. Motive werden solange nicht öffentlich auf der Karte gepinnt,  bis eine eindeutige Einschätzung vorliegt. Für manche braucht es tatsächlich die juristische Expertise unserer Kollegin Berit Völzmann. Und auch wenn wir Motive eindeutig zuordnen können heißt das noch lange nicht, dass ihr unsere Einschätzung teilt. Das mit Abstand am meisten eingereichte Motiv in den vergangenen Monaten war dieses von Gauloises:

Für uns ein klarer Fall für den Grauzonenbereich. Trotzdem haben sich viele von euch über das Motiv (und unsere Einschätzung) geärgert. Aber wir müssen rigoros überprüfen, ob es sich wirklich um Diskriminierung aufgrund von Geschlecht handelt. Auch damit ihr solche Motive nicht mehr zu Gesicht bekommt:

Denn an diesem lässt sich eine uns am häufigsten gestellten Frage beantworten: Was passiert nachdem ihr Motive als sexistisch gepinnt habt? Die Antwort klingt einfach, ist aber oft mühsam und manchmal sehr schwierig: Wir kontaktieren die Verantwortlichen. In diesem Fall haben wir sehr erfolgreich mit dem verantwortlichen Energiekonzern verhandelt, der das Motiv nicht nur aus dem Netz genommen sondern darüber hinaus zugesagt hat, seine Mitarbeitenden diesbezüglich zu sensibilisieren. So erfolgreich sind wir nicht immer. Man legt uns auch schon mal telefonisch nahe uns doch besser einen Strick zu nehmen. Aber wir bleiben für euch dran. In 59 Fällen wurden die Verantwortlichen bereits kontaktiert. 70 Prozent davon haben sich unseren Fragen gestellt, 22 Prozent spielen Katz und Maus mit uns. 8 Prozent haben ihre Anzeige zurückgezogen. Da ist noch deutlich Luft nach oben.

Das Hauptproblem dabei besteht darin, dass größere Firmen zwar bereiter zu sein scheinen aufgrund ihrer Präsenz in den sozialen Medien und erhöhter Sichtbarkeit Motive zurückzuziehen, sexistische Werbung aber vor allem ein Mittelstandsproblem ist,

und Rügen vom Werberat nicht zwingend zum Erfolg führen. Unsere beiden zahlenmäßig stärksten Kategorien Frauen als Objekte und Sexismus auf Rädern setzen sich fast vollständig aus Werbemotiven mittelständischer Handwerks- und Dienstleistungsfirmen zusammen. Allein das macht 1/5 der Gesamteinreichungen aus – und dabei sind entsprechende Motive aus anderen Kategorien noch nicht berücksichtigt.

Deshalb planen wir mit Kampagnen- und Sensibilisierungsarbeit verstärkt auf Handwerkskammern, sowie Industrie- und Handelskammern zuzugehen.

Auch die Lokalisierung von sexistischer Werbung bietet interessante Ansatzpunkte. Denn obwohl das Problem urbane wie ländliche Gebiete betrifft, tut es das nicht in gleicher Weise. So weisen Ballungsräume wie Berlin eine relativ hohe Zahl an stereotyper Werbung auf, sowie sexistische Werbung, die sich hauptsächlich aus mobilen Motiven oder Flyern von Lieferdiensten zusammensetzt.

Abseits der Ballungsräume findet sich häufiger stationäre sexistische Werbung.

Fazit:

Die Werbemelder*in funktioniert. Sie leistet mehr als wir erwartet haben und hat darüber hinaus noch deutlich Potential, das wir gerne ausschöpfen würden. Auch wenn die enorme Arbeitsbelastung noch einmal erhöht wird, werden wir alles daran setzen, das Problem von Sexismus in der Werbung so deutlich wie möglich abzubilden und darüber mit möglichst vielen Beteiligten, Betroffenen und Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen.