Das Lächeln im Patriachat

Fassade aus Zähnen

Text: Edith Löhle
Im Video: Thelma Buabeng

Wie konditioniert ist die Mimik der Frauen? Das gelernte Lächeln – um das soll es in diesem Text gehen. Eine Auseinandersetzung mit Mundwinkeln im Patriarchat.

Es ist nicht einfach, gegen das Lächeln anzuschreiben. Bei dem Image. Bei den PR-Schlagworten fürs freundliche Gesicht. Da wäre zum Beispiel das mit den Endorphinen. Die Tatsache, dass beim Lachen Glückshormone freigesetzt werden, macht schon Eindruck. Oder der Gesundheitsfaktor: 20 Sekunden Lachen fordern unseren Körper wohl mindestens genauso wie drei Minuten Joggen. Gut fürs Immunsystem sei es, für alles eigentlich. „Lachen ist die beste Medizin”, heißt es im Volksmund. Tolle Sache, Applaus, Applaus. Und es geht weiter: Lächelnde Menschen werden laut Forschung als ehrlicher, vertrauenswürdiger wahrgenommen. Und als schlauer. Ich dachte auch immer, dass schlaue Leute viel lächeln. Und dass schlaue, lächelnde Menschen erfolgreich sind, weil sie ihren Punkt machen können, dadurch dass man sie halt sympathisch findet. Heute denke ich, dass konditionierte Leute viel lächeln. Und ich hab’s an meinem eigenen Gesicht festgestellt.

Babys lachen übrigens erst nach zwei Monaten als ehrlichen Reflex, vorher nicht. Zwei Monate lang machen sie gar niemandem was vor. Die Eltern bekommen fürs Gebrabbel keinerlei Anerkennung in Form von Lippenbewegung. Und dann wird irgendwann gelernt, wann man dem Gegenüber ein gutes Gefühl geben will – oder muss. Ich weiß nicht, wann ich angefangen habe zu lächeln, aber als Kind war das strahlende Lächeln omnipräsent. Meine Eltern waren beide Fotografen. Heißt: Ich kann auf Knopfdruck lächeln, mit viel Zähnen. Schon als Mini-Me strahlte ich für Zeitungsaufmacher oder fürs Ausstellungsbild im Schaufenster. Sonnenschein, Frohnatur, Grinsekatze – sind jetzt alles keine hippen Kosewörter, aber welche, die mir charakteristisch von klein auf zugeordnet wurden. Dass ich mich dadurch nur mit meinem lächelnden Ich identifizieren konnte, merkte ich erst viel später …

Das Lachen der anderen

Erst mal hab ich gelernt, dass es einfacher ist, sich durchs Leben zu lächeln. Dann gibt’s Anerkennung – die Form eben der Timeline entsprechend: Lächelantwort, Tätscheln auf Kopf, Süßigkeiten, Spielzeug oder dann irgendwann Erwachsenen-Privilegien, Flirts und Jobs. Wer lächelt, eckt weniger an. Oder wenn der Volksmund noch mal zu Wort kommen darf: „Lächle, und die Welt lächelt zurück.“ Wieder wunderbares Material für die PR des freundlichen Gesichts. Aber jetzt kommt der Gegenangriff: Wie ehrlich kann man sein, wenn man größtenteils lächelnd durch die Welt geht? Klar, war ’ne rhetorische Frage. Tatsächlich habe ich mich in meinem emotionalen Ausmaß doch mein Leben lang hinter einem ansteckenden Lächeln versteckt, sodass kein Mensch so wirklich mitbekommen kann, wie es mir geht. Mit dem lapidaren „mir geht’s gut“ sind die meisten Menschen eh zufrieden. So zufrieden, dass niemand wirklich aktiv werden muss, niemand sich wirklich auseinandersetzen muss. Mit dem Lächeln ist das auch so. Plus, dass sich niemand unlustig und ungeliebt vorkommt. Worauf ich hinauswill: Das Patriarchat ist schuld (as always)! Mir ist das Lachen vergangen, als mir klar wurde, dass das erwartete Frauenlächeln ein Aspekt von Sexismus ist und ich das lange gar nicht gemerkt habe. Oder auch einfach so hingenommen habe. Schließlich kennt’s jede: Fremde Männer tragen weiblich gelesenen Menschen ständig auf zu lächeln. Dass man doch viel besser aussehe, wenn man Zähne zeige. Dass man auch jemanden abkriegt, wenn man freundlich dreinblickt – Willkommen im Leben einer Frau.

Schaut euch hier unser Video zum Thema mit Schauspielerin und Aktivistin Thelma Buabeng an:

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Stützend zu dieser These möchte ich noch eine Anekdote erzählen: Ich war Mitte zwanzig und hatte ein Vorstellungsgespräch für eine Redaktionsstelle (in dem Bewerbungsgespräch wurde ich übrigens nach meiner Kinderplanung gefragt, aber das ist ein anderes Thema), anschließend hat der Chef in meiner Abwesenheit im Großraumbüro rumposaunt, dass er mich aufgrund meines Lächelns einstellen würde. Wer jetzt denkt: Lach doch drüber, Hauptsache Job bekommen, dem kann ich heute sagen: Das war nicht nur uncool, das war klar sexistisch. Damalige Kolleg*innen haben mir das zu meinem Arbeitsantritt dann auch noch angelastet, weil ich die Frau war, die sich hochlächeln würde. Hä?

Die Machtdynamik dahinter

Die soziale Erwartung an mein Geschlecht ist im feministischen Diskurs klar. Dennoch habe ich lange gebraucht, bis ich gemerkt habe, wie sehr ich mir selbst in die Tasche gelächelt habe. In der Sicherheit, dass meine Mimik selbstbestimmt sei. Die US-Komikerin Chelsea Handler zum Beispiel nahm sich vor Jahren einen Twitterer vor, der Hillary Clinton dafür kritisierte, sie hätte bei einer Veranstaltung nicht gelächelt. „Männer: Hört auf uns zu sagen, wir sollen lächeln!“, forderte sie in ihrer Show. Ich erinnere mich auch noch daran, dass der Begriff „Resting Bitch Face“ um Schauspielerin Kristen Stewart und (anderen berühmten und nicht berühmten) Frauen mit neutralem Gesichtsausdruck laut wurde. Das gehört nämlich auch zum sexistischen Rattenschwanz des erwarteten Lächelns. Wenn die Frau nicht allzeit easy going und freundlich guckt, muss sie wohl eine Bitch sein. Einfach Nein. Und auch das rassistische, sexistische Stereotyp „Angry Black Woman“ schlägt in diese Kerbe. Wenn eine Schwarze Frau also nicht lächelt, wird ihr schnell unterstellt, dass sie aggressiv, zu laut sei. Zweifach Nein.

Don’t keep on smiling

Und es geht noch tiefer: Wie gesagt, geben wir öffentlichen Dauer-Lächlerinnen jedem Menschen ein gutes Gefühl, das Anstrengung und Auseinandersetzung nicht nötig macht. Aber welches Gefühl geben wir uns selbst? Dass nicht alle Gefühle Raum haben! Ich habe angenommen, mein Umfeld erwartet von mir, dass ich immer lächle. Dass ich allzeit fröhlich bin (und somit stark wirke). Und damit habe ich mich einem Anspruch unterlegt, dem kein Mensch gerecht werden kann. Selbst engen Freundinnen präsentierte ich lieber und lange Zeit nur meine Sonnenseite. Wenn es in mir regnete, strahlte ich äußerlich trotzdem.

Psycholog*innen sagen, dass Lachen und Lächeln oft als Schutzfunktion dienen. Das Lachen wirke sozial als deeskalierend. Deswegen hat jede Frau sicherlich in ihrem Leben auch schon sexistische Witze, unsichere und peinliche Situationen weggelächelt. Ich weiß, ich bin damit nicht allein. Und deswegen sage ich jetzt auch ganz generisch: Bitte nicht recht freundlich! Da müssen die anderen durch. Mehr Ehrlichkeit auf Instagram ist die eine Sache, mehr Ehrlichkeit im Gesicht ist die andere. Mundwinkel fordern Verantwortung: Wenn wir nämlich aufhören, für andere automatisch zu lächeln, dann fangen wir an, uns geschlechtsübergreifend ernst zu nehmen.


Wenn wir von Frauen und Mädchen oder von Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf strukturelle gesellschaftliche Rollen, die weiblich und männlich gelesene Personen betreffen. Gleiches gilt für die Adjektive “weiblich” und “männlich”. In Statistiken und Studien, die wir zitieren, wird leider oft nur zwischen Frau und Mann differenziert.

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Bildquelle: Pinkstinks Germany e.V.