Pink zum Weltmädchentag? Wir hätten’s lieber bunt!

 

Auch dieses Jahr am 11. Oktober wird Plan International prominente Gebäude in pinkfarbenes Licht tauchen, um die Welt auf die stark benachteiligte Situation von Mädchen in Entwicklungsländern aufmerksam zu machen. Für diese „Pinkifizierung“ ließ Plan 2014 das Topmodel Toni Garrn das erste Licht anknipsen. Weil die Organisation Pinkstinks in Deutschland gegen Gender-Marketing und die Reduzierung von Mädchen und Jungen auf Klischees kämpft, finden wir das schade: Die Einteilung von Kindern in (Pretty in) Pink und Blau sollte 2015 doch zumindest bei NGOs endlich passé sein. Erst, wenn es nicht zwei, auch nicht eine einzige, sondern ganz viele verschiedene Farben für uns Menschen gibt, ist die Gleichberechtigung aller Geschlechter realisierbar. Ein Regenbogen der zeigt, dass es manchmal mehr Unterschiede innerhalb eines Geschlechts als zwischen den Geschlechtern gibt.

mädchen sein

Wir bei Pinkstinks finden die Einteilung in Mädchen und Jungen in zwei Farben schwierig, weil die Farbteilung auszudrücken scheint, dass Mädchen und Jungen für verschiedene Dinge geboren werden: Technik und Chemie für Jungen, Care-Arbeit und Schönheit für Mädchen. Gleichzeitig gibt es diskriminierende Erfahrungen, die nur Mädchen oder nur Jungen teilen. Jungen hören oft, dass sie nicht weinen dürfen, Mädchen wird häufig nicht zugetraut, einen Nagel in die Wand zu schlagen. Plan International kümmert sich um Mädchen in Entwicklungsländern, die z.B., nur weil sie Mädchen sind, nicht in die Schule gehen dürfen. Wie soll eine Organisation, die für Mädchenrechte kämpft und Spenden für ihre Arbeit generieren möchte, in einer Aktion darauf aufmerksam machen, dass es sich um benachteiligte Mädchen handelt? Das ist eine berechtigte und schwierige Frage. Die Antwort war nur etwas zu einfach: Natürlich mit Pink, dachte man sich bei Plan International in 2012. Da wissen alle sofort, wer und was gemeint ist.

Für fünf Jahre sollte dieses Farbkonzept gelten, beschloss die Leitung in New York. Im Frühjahr 2015 wurde Pinkstinks von Plan Deutschland eingeladen, um über unsere Sorgen mit deren „Pinkifizierung Deutschlands“ zu sprechen, nachdem wir uns seit 2012 wiederholt dagegen ausgesprochen hatten. Es war ein nettes, offenes Gespräch, in dem gleich vorweg klar gestellt wurde, dass die Farbe bis 2017 nicht geändert werden kann. Das Resultat unserer Diskussion war eine neue Unterseite, die Plan ins Netz stellte, auf der sie sich dafür aussprechen, dass Pink für Alle da ist. Aber ob diese kleine Unterseite von der Masse wahr genommen wird? Auch beziehen sie sich dort wiederholt und glaubhaft auf das Pink der indischen Gulabi-Gang, einem starken, protestierenden Pink. Doch leider ändert das wenig an dem Effekt der Marketingstrategie, mit Pink für Mädchenrechte zu werben. Weder die Gulabi-Gang noch Plan International haben die Macht, die wirtschaftlich geprägte Farbe Pink neu zu kodieren. Wenn Pink nur für Frauen ist (es ist und bleibt hier ein Signal für Mädchenrechte) ist es nicht für Jungen. Auch wenn die Aktion keine Klischees reproduzieren möchte, steht Pink in Deutschland für schutzbedürftige, niedliche Mädchen und weniger für eine Welt, in der auch Jungen Pink tragen dürfen und Frauen die Wirtschaft prägen. Gespendet wird an Plan ja nicht für pinke Powerfrauen, sondern für Mädchen, die benachteiligt sind und beschützt werden müssen.

Plan Deutschland hat sich mit uns über dieses Problem Gedanken gemacht. Wir hatten im Frühjahr auch keinen Alternativ-Vorschlag. Wie sonst kann mit einer Gebäude-Anstrahl-Aktion auf Mädchenrechte aufmerksam gemacht werden? Mit dem Konterfei von Malala? Es ist schwer, das sehen wir ein. Aber vielleicht, das hoffen wir sehr, gibt es ab 2017 ein neues Konzept. Morgen stellen wir euch eines vor, das wir gerade erarbeiten, vielleicht möchte Plan es ja übernehmen!

Wir haben Plan International im Frühjahr jedoch Vorschläge gemacht, wie die klischeehaften Seiten der Kampagne entschärft werden könnten. Seit sie Topmodel Toni Garrn als Botschafterin des Weltmädchentags engagiert haben, interessieren sich in Deutschland mehr junge Frauen für die Arbeit von Plan. Interesse bedeutet steigendes Spendenvolumen und mehr Entwicklungsarbeit. Es bedeutet aber auch die Reproduktion der blonden, schlanken, weißen Frau, die den „armen schwarzen Kindern“ hilft, somit kolonialistische Bilder reproduziert und jungen Frauen weltweit als unrealistisches Vorbild dient. Wäre Garrns Arbeit für Plan nicht eine hervorragende Gelegenheit, sie in einem Video das Modelleben entmystifizieren zu lassen? So wie es Cameron Russell in diesem Video tut? Und, um Pink als Mädchenfarbe zu entschärfen, könnte Ulli Wickert nicht in einem pinken Plan-T-Shirt zu sehen sein, mit dem Aufdruck: Because I am a Boy? Ein HeForShe-Gedanke? Wir hoffen sehr auf die Umsetzung unserer gemeinsam ausgearbeiteten Ideen. Bei unserem Gespräch mit Plan im Frühjahr war auch Claudia Wallner, Leiterin des Jugend-Gender-Magazins Mein Testgelände zu Gast, die die Bundesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik mit begründete. Sie betonte, dass die „Pinkifizierung Deutschlands“ vielleicht für Mädchenrechte im Ausland Spenden generiert, für die Mädchenarbeit in Deutschland jedoch ein Problem darstellt. Die Kampagne investiert in das pinkfarbene Topmodel-Marketing, das Entfaltungsmöglichkeiten für Mädchen limitiert. Auch sie hofft sehr, dass sich die Plan-Kampagne ändert.

Wir möchten die Arbeit von Plan International in den Entwicklungsländern keineswegs hinterfragen, und für gute Entwicklungsarbeit braucht man sehr viel Geld. Es ist das eine, für ein kleines Büro mit einer Handvoll Leuten Fundraising zu betreiben, ein anderes, eine Organisation mit mehreren Hundert Mitarbeitern zu finanzieren. Zum Weltmädchentag hätten wir es nur gerne bunt: So vielfältig, wie Mädchen und Jungen nun mal sind. Wir sind gespannt, wie Plans zukünftige Kampagnen aussehen werden. Morgen präsentieren wir euch unseren Vorschlag an Plan!

Bild oben: Screenshot Plan Deutschland