Zarte Jungen, starke Mädchen

 

Donnerstag ist bundesweit Girls und Boys Day. Viele Kinder schnuppern dann in Berufe rein, die traditionell für das andere Geschlecht sind: Mädchen in den Schiffsbau und Jungs in die Pflege. Das hört sich doch erst mal toll an. Ich bin froh, dass es diesen Tag und ein wunderbares Team gibt, die sich darum kümmern, dass es jedes Jahr ordentlich viele Aktionen dazu gibt.

Aber sein Kind beim Girls und Boys Day irgendwo unter zu bringen ist der reinste Stress. In der Großstadt Hamburg gibt es zwar viele Unternehmen, die Plätze anbieten, aber genau so viel Andrang auf diese. Wir waren zu spät: Weder in Tonstudio noch Ingenieursbüro war was zu haben, Feuerwehr und Polizei nehmen nur Kinder von Mitarbeiter*innen, und unsere Freund*innen, die irgendwas selbstständig und um-die-Uhr-arbeitend mit Informatik machen, wollten wir unser Kind nicht einen halben Tag aufbrummen. Meine Tochter geht also zum netten Gemüseladen um die Ecke, in dem nur Männer arbeiten – etwas Besseres fiel uns nicht ein. So richtig traditionell männlich wird das nicht. Sie wird sicher viele Süßigkeiten zugesteckt bekommen und ordentlich verwöhnt werden!

Versteht mich nicht falsch: Girls und Boys Day ist eine wichtige Sache. Er kommt nur viel zu spät. „Ich will Lehrerin oder Pferdeflüsterin werden, basta!“ maulte meine Große, als es darum ging, was sie denn als Schnuppertag interessieren würde. Nur Polizei fand sie noch spannend. Irgendetwas mit Elektronik oder Stahlbau? Ich bekam nur zynisch hochgezogene Augenbrauen. Ihr seht also, auch Gendermütter können versagen. Nur, ma‘ ehrlich: Ich mache typisch kommunikative Büro- und Vernetzungsarbeit, und es bringt mir riesig Spaß. Ich bin – ich oute mich – nicht mal firm im 1×1. Wo soll sie das Technische also her haben? Ihr Vater macht in Natur- und Artenschutz. Auch nicht so richtig traditionell männlich. Also?

Wenn die OECD-Studien ganz klar zeigen, dass Mädchen zwar genauso gut wie Jungen in Mathe sind, aber glauben, es nicht zu sein, hilft sicher auch kein Girls Day in der 5. Klasse. Wenn Chemiekästen für Jungen Experimente mit explosiven Elementen anbieten und Mädchen maximal zeigen, wie man Backpulver herstellt, und wir diese Chemiebaukästen als repräsentativ für eine gesamte Kinderkultur setzen können, hilft uns leider nicht ein einzelner Gleichberechtigungs-Tag in der weiterführenden Schule. Wenn Erzieher*innen in der Ausbildung weiterhin lernen, Mädchen „bräuchten die rosa Phase“, um sich sicher in ihrem Geschlecht zu fühlen, müssen wir genau dort ansetzen.

Solange wir dafür aber noch kämpfen müssen, dass auch Mädchen komplizierte Lego-Bausätze bekommen, setze ich auf etwas Anderes: Jugendkultur. Wenn so coole junge Menschen wie diese Rapper*innen sich für berufliche Gleichberechtigung einsetzen und von Kids gehört werden, greift vielleicht der Nachahmungseffekt. Hört doch mal rein: „I have a dream“ ist zu hören auf dem diese Woche frisch gelaunchten Jugend-Gender-Magazin „Testgelände“. Die BRAVO ist das noch nicht. Aber ein Anfang!