Guten Tag zusammen, ich melde mich bei euch jenseits einer magischen Grenze: Ich bin nämlich gerade 30 geworden. Und ich bin Single. Aber das nur nebenbei. Trotzdem ist das Singlesein für eine Frau natürlich besonders hart: Während Männer in diesem Alter gemeinhin beginnen, ihre charmanten Ecken und Kanten auszubilden, die sie so einzigartig und irgendwie kernig machen, werden Frauen einfach nur labberig und müssen sich langsam aber sicher dem teuren wie aussichtslosen Kampf widmen, ihre Jugend zu konservieren. Und das auch nur, damit Sie noch einen abkriegen. So fühlt es sich zumindest an, oder?
Wie sagt man so schön: Frauen werden älter, Männer interessanter.
Im biblischen Alter von 30 noch ledig unterwegs zu sein, löst bei Männern wie Frauen irritierende Reaktionen aus. Sei es ein gönnerhaftes „Mach dir keinen Kopf, du bist ja noch jung“ oder „Du siehst gar nicht aus wie 30“. Ähm, Leute, ist ja vielleicht nett gemeint, aber merkt ihr was? Mir wäre schon geholfen, man behandele mich nicht wie einen Joghurt mit „Aktionspreis“-Etikett, dessen Mindesthaltbarkeit bald abläuft.
Oder anders gesagt: Warum ist es immer noch ein aufbauend gemeintes Kompliment, nicht wie 30 auszusehen? Vor allem, wenn man 30 ist? Und: wie sieht man denn mit 30 sonst aus? Anscheinend irgendwie scheiße. Dieser Fremd- wie Selbstwahrnehmung sollten wir dringend entsorgen.
Was jetzt auch nicht falsch verstanden werden soll, denn ein aufrichtig gemeintes Kompliment ist ja nichts Falsches. Im Gegenteil: Ich finde es gut, wenn Menschen sich gegenseitig schön finden – in welcher Form auch immer. Aber warum schwingt bei der 30 diese fiese Relativierung mit? Das steht für mich auf einer Stufe mit: „Du bist ziemlich witzig. Für eine Frau.“ Das heißt im Subtext: „Immer noch unwitzig wie alle Frauen, aber nicht ganz so sehr.“ Oder wie in meinem Fall: „Immer noch labberig wie alles ab 30, aber es ginge auch schlimmer.“
In dem Zusammenhang fällt mir die „Run like a girl“-Kampagne von Always ein, die das Thema gut auf den Punkt bringt. Wie wäre es mit „Age like a Girl“?
Wie dem auch sei, ich fühle mich mit meinen dirty thirty schöner und selbstbewusster denn je. Mir geht’s gerade vielleicht nicht so gut wegen Liebe und so. Aber sicher nicht, weil ich mir automatisch Sorgen um meinen verbleibenden Grad an Vermittelbarkeit oder die Gerechtfertigkeit eines gesunden Selbstwertgefühls mache.
Was aber richtig verrückt ist: Wenn ich das den Leuten erzähle, fühle ich mich immer so, als würde ich mich selbst belügen. Als würde ich versuchen, mir eine traurige, irreversible Wahrheit schönzureden, die mich längst unumkehrbar ereilt hat: Ich bin, was meinen Marktwert angeht, angezählt.
Beziehungsweise denke ich, dass die Leute das denken. Ganz so, als bekäme man ein Geschenk, über das man sich tatsächlich freut, aber man die ganze Zeit das Gefühl hat, das Gegenüber nimmt einem die Freude einfach nicht ab. Oder wie früher in der Schule: Man bekommt die Klassenarbeit zurück und hat eine 3. Die Sitznachbarin fragt einen, ob man zufrieden ist. Aber so ernst du dieses „Ja“ auch meinst, deine Sitznachbarin behält dieses leicht Ungläubige in der Mimik. Entweder weil sie denkt, dass du eigentlich nicht zufrieden bist, aber so tust als ob, um dir keine Blöße zu geben. Oder du bist tatsächlich zufrieden, was irgendwie bemitleidenswert wäre, weil du auch eine bessere Note hättest haben können und augenscheinlich keine besonders hohen Ansprüche an dich selbst hast.
Stehe ich da jetzt drüber, oder nicht? Ich glaube schon. Aber als subtiles Zugeständnis an das neue Alter wechsle ich schon mal von den pastellfarbenen zu den bordeauxroten Kosmetikprodukten. Vielleicht ist es bereits Zeit für die Nachtcreme in der güldenen Pappschachtel – mein selbstbestimmter Transit vom süßen zum Würde wahrenden Frauenideal. Möglicherweise gönne ich mir sogar was mit Hyaloron oder irgendeinem Vitamin-Komplex für jugendlich strahlende Haut. Der Komplex zieht dann auch ratzfatz durch meine beanspruchte Haut direkt ins Selbstwertgefühl ein und pflegt es klein und zart. Wie es sich anscheinend für mein Alter gehört. Dann doch lieber die „Age like a Girl“-Kampagne in eigener Sache.
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