Von kleinen und großen Altersunterschieden

Eigentlich ist die Sache ziemlich klar: Was erwachsene Menschen beziehungstechnisch einvernehmlich miteinander machen, ist ihre Sache. Aber da das Private ja nicht kürzlich einfach aufgehört hat, politisch zu sein, ist das Ganze doch nicht so einfach. Und deshalb soll es heute um Altersunterschiede in Beziehungen gehen und darum, warum das womöglich etwas mit Feminismus und Gleichberechtigung zu tun hat.

Auslöser für diesen Text waren die Aussagen des französischen Schriftstellers Yann Moix darüber, dass für ihn als 50 jährigen Mann eine Beziehung mit einer gleichaltrigen Frau unvorstellbar wäre. Frauen dieses Alters seien unsichtbar für ihn, sie zu lieben ein Ding der Unmöglichkeit. Er bevorzuge die Körper sehr viel jüngerer Frauen. Vielleicht, so schob er in einem späteren Interview nach, könne er sich in seinen 60ern für 50 jährige Frauen erwärmen – immerhin seien die dann ja „jüngere Frauen“.
Selbstverständlich ist ein entsprechend großer Altersunterschied auch andersherum möglich und auch darüber ließe sich einiges sagen. Wenn man sich allein die Berichterstattung über die Beziehung von Emmanuel und Brigitte Macron während des Präsidentschaftswahlkampfes in Frankreich 2017 anschaut, dann ahnt man, dass wir es nicht nur
mit einer MILF-Fetischisierung, sondern noch mit ganz anderen Phänomen zu tun haben.

Aber um diesem Thema auch nur halbwegs gerecht werden zu können, ist ein eigener Text notwendig. Deshalb konzentriere ich mich an dieser Stelle auf das Schema „älterer Mann – jüngere Frau“, für das es mit der Formel Halbes Alter plus Sieben sogar eine Regel gibt, nach der Mann sich richten kann. Es gibt gute Gründe, sich dieses Schema einmal genauer anzuschauen. Ein Grund ist zum Beispiel, dass es jenseits der allgemeinen Norm von 4 Jahren Altersunterschied noch eine gesellschaftliche Realität gibt, in der insbesondere einflussreiche, mächtige und reiche Männer mit sehr viel jüngeren Frauen Beziehungen führen.
Ein anderer Grund ist die Widersprüchlichkeit in den Aussagen von Männern wie Yann Moix. Der nämlich gibt zwar klar zu verstehen, dass er dafür, zu wem er sich hingezogen fühlt, überhaupt nichts kann, sagt aber zugleich, dass er liebt, wen auch immer er will. Er verschanzt also sein erotisches Interesse an jungen Frauen hinter biologischen Determinismen, die er nicht ändern kann, und will sich gleichzeitig frei entscheiden können. Das passt nicht wirklich zusammen.

Warum Männer wie Moix sich auf deutlich jüngere Frauen fixieren und die Frauen darauf eingehen, scheint auf der Hand zu liegen: Die Evolutionspsychologie weist darauf hin, dass heterosexuelle Männer jeden Alters Frauen im gebärfähigen Alter besonders attraktiv finden, während heterosexuelle Frauen sich bei älteren Männern vor allem für das soziokulturelle Kapital und die entsprechenden Absicherungs- und Versorgungsmöglichkeiten interessieren. Das ist die Biologie, von der Moix spricht. Allerdings fehlen da zwei Komponenten.

Die erste besagt interessanterweise, dass die Annahme, wonach die ältere Person in einer Beziehung durch die jüngere Person gleichsam verjüngt wird und länger lebt, nur auf Männer zutrifft. Um ganze 11% niedriger liegt das Sterblichkeitsrisiko eines Mannes mit einer 7-9 Jahre jüngeren Partnerin im Vergleich zu einem Mann mit einer gleichaltrigen Partnerin. Noch früher sterben Männer mit älteren Partnerinnen. Im Vergleich dazu gilt für Frauen, dass die Lebenserwartung umso geringer ist, je höher der Altersunterschied – und zwar egal in welche Richtung. Sowohl deutlich jüngere als auch signifikant ältere Partner verkürzen statistisch gesehen das Leben von Frauen. Männer wie Dieter Bohlen, Gerhard Schröder und Donald Trump profitieren also in mehr als einer Hinsicht davon, sich jüngere Partnerinnen auszusuchen. Ihre Partnerinnen in diesem Zusammenhang hingegen eher nicht. Ganz besonders nicht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Frauen, die sich für einen deutlich älteren Partner entscheiden, statistisch einem höheres Risiko unterliegen, aus Eifersucht getötet zu werden.

Die zweite Komponente dreht sich um Dinge wie Bewunderung, Manipulierbarkeit und Macht. Die britische Autorin Zoe Williams hat es so ausgedrückt: Männer wie Yann Moix begehren nicht nur die strafferen Körper von jungen Frauen, sondern auch ihren unverbrauchteren Verstand. Unverbraucht im Sinne von nicht so kritisch gegenüber bestimmtem männlichen Dominanzgebaren. Sie wählen eine Partnerin, die sie sich in allen Bereichen außer der körperlichen Attraktivität unterlegen glauben. Sie begehren weibliche Naivität als Spiegel, in dem ihr eigener Erfahrungsschatz umso reichhaltiger, weltmännischer und überlegener wirken kann. Alter ist in diesem Zusammenhang nur eine Kategorie von vielen aber eine sehr wirkmächtige.

Abschließend muss jedoch hinzugefügt werden, dass gerade die Kategorie Naivität ein Hinweis darauf bietet, es sich mit der Kritik an solchen Beziehungskonstellationen nicht zu leicht zu machen. Andernfalls läuft man nämlich Gefahr, Frauen mit älteren Partnern grundsätzlich Naivität und ein gewisses Maß an Unmündigkeit zu unterstellen – und das wäre das Gegenteil von feministischer Ermächtigung. So wichtig es ist, das Muster hinter Aussagen wie denen von Moix bloßzulegen und Schlüsse daraus zu ziehen, so sehr sollte man sich von Verallgemeinerungen fernhalten. Andernfalls läuft man Gefahr, Frauen wie Amal Clooney oder Michelle Müntefering Unbedarftheit und Manipulierbarkeit zu unterstellen, obwohl sich 17 oder auch 40 Jahre Altersunterschied eben auch in der Beziehung zwischen zwei einvernehmlichen Erwachsenen auf Augenhöhe ergeben können.

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