Eine Schlumpfine ist nicht genug – Frauenfiguren in Film und Fernsehen

Kennste den? Treffen sich zwei Frauen und sprechen miteinander über etwas anderes als Männer. Das ist kein chauvinistischer Witz, sondern der sogenannte Bechdel-Test, benannt nach der Comic-Autorin Alison Bechdel und hervorgegangen aus ihrer Serie „Dykes to Watch Out for“. Hier nämlich legt eine Figur der anderen dar, dass sie fortan nur noch solche Filme ansehen wird, die drei Voraussetzungen erfüllen: Es muss zwei Frauenfiguren geben. Sie müssen sich miteinander unterhalten. Und sie müssen über etwas anderes sprechen als Männer. Laut Alison Bechdel stammt diese Idee ursprünglich von ihrer Freundin Liz Wallace, weshalb manchmal auch vom „Bechdel-Wallace“-Test gesprochen wird.

Was auf den ersten Blick ziemlich einfach wirkt, stellt sich beim Blick auf unsere Filmkultur als erstaunlich schwierig heraus. Die Webseite bechdeltest.com bietet eine lange Liste aktueller und älterer Filme sowie Infos zu ihrem Abschneiden beim Bechdel-Test. Das Gesamtbild ist ziemlich erschreckend, insbesondere mit Blick auf die Entwicklung der Testergebnisse im Laufe der Jahre. So richtig viel ist in den vergangen 80 Jahren, über gleich zwei Emanzipationsbewegungen hinweg, nämlich nicht passiert. Das belegte auch eine Studie zum Thema „Audiovisuelle Diversität“, die von der Schauspielerin Maria Furtwängler angestoßen und der Universität Rostock durchgeführt wurde und unter anderem ergab, dass im deutschen Kinderfernsehen nur eine von vier menschlichen Figuren weiblich ist, bei nicht-menschlichen Figuren (Tiere, Pflanzen, Roboter, usw.) sogar nur eine von zehn.

Auch im Jahr 2017 gibt es in Film und Fernsehen also deutlich weniger weibliche Figuren als männliche und die vorhandenen weiblichen Charaktere haben im wahrsten Sinne des Wortes weniger zu sagen. Selbst Filme wie „Star Wars VII: Das Erwachen der Macht“, die mit einer starken weiblichen Hauptfigur medienwirksam auftrumpfen, lassen bei genauerer Hinsicht ordentlich Luft nach oben. Wie die Auswertung des Drehbuchs zu „Star Wars VII“ auf der Webseite polygraph zeigt, ist Rey, obwohl offiziell Heldin der Geschichte, nicht die Figur mit dem größten Redeanteil. Insgesamt machen von Frauen gesprochene Worte nur 28% des Dialogs aus, was ganz einfach daran liegt, dass es neben Rey keine weiteren für die Handlung zentralen Frauenfiguren gibt. In Star Wars, wie im deutschen Kinderfernsehen, ist das übrigens unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass nicht-humanoide Figuren fast ausschließlich männlich charakterisiert werden.

Für das Phänomen einer Frauenfigur inmitten eines rein männlichen Casts, gibt es inzwischen sogar schon einen Namen: das Schlumpfine-Prinzip, benannt nach dem ultimativen Geschlechterungleichgewicht in der Kinderserie „Die Schlümpfe“. Schlumpfine ist auch ein sehr gutes Beispiel für eine weitere Schieflage in der Darstellung von Frauen in Film und Fernsehen. Im Gegensatz zu den anderen Schlümpfen ist sie nämlich ausschließlich über ihre Schönheit charakterisiert und dient nicht nur ihren blauen Mitbewohnern, sondern letztlich auch den Zuschauer_innen als Objekt der Begierde.

Das Geena Davis Institut on Gender in Media hat in einer Studie über elf verschiedene Filmnationen, zu denen auch Deutschland gehört, untersucht, wie starke welche Figuren sexualisiert werden. Wenig überraschend tragen Frauen doppelt so häufig aufreizende Kleidung, sind doppelt so häufig nackt wie auch auffällig schlank und ihr äußeres Erscheinungsbild ist doppelt so häufig ein Thema des Films. Dabei ist es übrigens egal, ob sie voll- oder minderjährig sind. Weibliche Teenager werden genauso häufig sexualisiert wie erwachsene Frauen, zumindest solange die Figuren nicht über 39 sind. Dann, so legen die Zahlen nahe, sind Frauen eben einfach nicht mehr sexy.


Wer das nicht glauben kann, findet in der Neuverfilmung von Steven Kings „Es“ ein gutes Beispiel: Die einzige weibliche Figur, etwa 14 Jahre jung, wird durch die Kamera und die Augen der jugendlichen männlichen Figuren wiederholt als Sexobjekt inszeniert. Und das übrigens während der Film wenig subtil den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater andeutet.

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Das eine ist vom anderen nämlich nicht zu trennen. Wie Frauen in Film und Fernsehen dargestellt werden, welche Rolle ihnen eingeräumt, welches Maß an Respekt und auch Selbstbestimmung ihnen zu gestanden wird, ist nicht nur ein Spiegel unserer Gesellschaft, sondern auch ein nicht zu verachtender Einflussfaktor. Ein Film wie „Es“ verurteilt zwar den häuslichen Missbrauch, bietet seinem erwachsenen Publikum aber gleichzeitig einen sexualisierten Blick auf eine minderjährige Frauenfigur an. Eine Serie wie „The Big Bang Theory“ legitimiert Misogynie durch das „niedliche“ Verhalten ihrer nerdigen Charaktere.

Und James Bond Filme legen nahe, dass Frauen ähnlich austauschbar wie Autos sind: Schade, wenn eine kaputt geht, aber im nächsten Film gibt’s sicher eine neue. Dramatisch ist daran ohnehin nur der ach so große Verlustschmerz des edlen Helden. Denn es geht immer nur um Bond.

Während Schweden den Bechdel-Test schon 2013 als offizielles Bewertungskriterium für Film und Fernsehen eingeführt hat und im englischsprachigen Internet auf Seiten wie Women and Hollywood, Bitch Media oder The Mary Sue immerhin ein reger feministischer Diskurs über Popkultur geführt wird, steckt dieses Thema hierzulande bedauerlicher Weise noch in den Kinderschuhen. Damit können wir aktuell nur Babyschritte machen. Auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Zukunft sollten wir aber auch beim Thema Feminismus und Film dringend auf Siebenmeilenstiefel umsteigen.