Frauenrechte = Menschenrechte?

Frauenrechte sind Menschenrechte. Klar, nichts Neues, ist doch logisch, weiß doch jedes Kind? Halt, nicht so schnell. Dieser einfache Satz ist komplizierter, als er scheint. Und damit meinen wir nicht, dass bei der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Nationalversammlung 1789 Frauen ausdrücklich ausgenommen waren. (Beste Reaktion von Olympe de Gouges: einfach eine Frauenrechtsbewegung starten. Unser ewiger Dank ist ihr dafür sicher!) Was wir meinen, ist: Auch jetzt, 225 Jahre später, sind Frauenrechte nicht selbstverständlich. Auch in Deutschland nicht.

Gucken wir uns das doch mal genauer an. In der Theorie liest sich das so schön in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 verkündet wurde – also vor 75 Jahren. Schon in der Präambel wird auf »die Gleichberechtigung von Mann und Frau« hingewiesen, und der erste Satz in Artikel 1 lautet  »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.« Und in Artikel 2 steht »Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach (…) Geschlecht, …«. Zu den Menschenrechten in den folgenden Artikeln gehören zum Beispiel das Recht, frei von Gewalt und Diskriminierung zu leben, das Recht auf Bildung und Eigentum, das Recht zu wählen und das Recht, den gleichen Lohn zu erhalten.

Jetzt der Praxischeck für Deutschland?

Da wird’s schwierig. Die Menschenrechte haben zwar in Form von Grundrechten ihren Weg in das Grundgesetz gefunden. Doch von der gleichberechtigten Umsetzung der Menschenrechte sind wir noch verdammt weit entfernt.

  • Frauen bekommen weniger Lohn.1 Dafür gibt’s fünf Gründe: 1. Frauen wird unter Umständen für dieselbe Arbeit weniger bezahlt als Männern. 2. Frauen wird der Zugang zu Führungsjobs verwehrt. 3. Frauen arbeiten öfter in Teilzeit. 4. Jobs, die als »Frauenarbeit« angesehen werden und in denen vorrangig Frauen arbeiten, werden schlechter bezahlt. 5. Frauen leisten unbezahlte Arbeit (Care Arbeit!). Die Folge: Frauen haben weniger Eigentum, rutschen bei Trennung eher in Armut ab, rutschen im Alter ebenfalls eher in Armut ab, weil sie weniger für die Rente zurücklegen konnten.2

  • Frauen sind körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt, viel zu viele können sich selbst in ihrem Zuhause nicht sicher fühlen.3 Es gibt zu wenige Präventionsprogramme für Männer, zu wenige Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Frauen.

  • Frauen sind zwar beim aktiven Wahlrecht gleichberechtigt, sie können also zur Wahl gehen wie Männer auch. Doch wer wird von den Parteien aufgestellt und wird gewählt? In der Mehrheit: Männer. Beim so wichtigen passiven Wahlrecht sieht es mit der Gleichberechtigung also nicht gut aus. Der Frauenanteil im Bundestag beträgt derzeit traurige 34,8 Prozent. Gerade einmal jedes dritte Bundestagsmitglied ist eine Frau.4

  • Die Gesundheitsversorgung für Frauen lässt zu wünschen übrig, es gibt grundsätzlich zu wenige Frauenärzt*innen in Deutschland und einen akuten Mangel an Frauenärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.5 Durch die gesetzliche Regelung in Deutschland werden Frauen bevormundet bei der Entscheidung, ein Kind zu bekommen oder die Schwangerschaft abzubrechen. Und dann ist da noch der Gender Health Gap: Krankheiten und Medikamente sind bei Männern besser erforscht.6

Das alles ist: diskriminierend. Denn warum werden Frauen anders behandelt? Der einzige Grund: Weil sie keine Männer sind. Und noch düsterer sieht es mit den Menschenrechten aus, wenn Frauen weiteren marginalisierten Gruppen angehören – wenn sie zum Beispiel of Color sind, wenn sie nicht-heterosexuell sind, wenn sie eine Behinderung haben, wenn sie eine internationale Familiengeschichte haben, wenn sie trans* sind …

Bis zur echten Umsetzung der Menschenrechte für alle Geschlechter in Deutschland liegt also noch ein frustrierend langer Weg vor uns allen. Glücklicherweise können wir etwas tun, das richtig nachhaltig ist: So früh wie möglich mit der Präventionsarbeit loslegen! Und genau das tut PINKSTINKS: Wir gehen gemeinsam mit euch gegen starre Geschlechterrollen an – in der Kita, in der Grundschule, in der weiterführenden Schule. Wir zusammen mit euch können Eltern und anderen Erziehenden erklären, was es bedeutet, wenn alles Nicht-Männliche abgewertet wird. Wenn Sätze fallen wie »Du spielst mit Puppen?! Du bist doch kein Mädchen!« oder »Rosa? Das ist doch nichts für Jungs!«.

Denn Sexismus verhindert schon im frühen Alter die freie Entfaltung und damit die Chance, das Leben selbstbestimmt und frei zu leben. Denn Sexismus verhindert, dass Menschenrechte auch wirklich für Frauen gelten.

Lasst uns gemeinsam etwas für die Menschenrechte tun! 💪

P.S.: Diesen Text haben wir am Tag der Menschenrechte in unserem Newsletter veröffentlicht. Wenn du künftig auch solche Texte direkt in deinem Postfach haben möchtest, dazu noch hilfreiche Tipps gegen Alltagssexismus und einen praktischen Spickzettel fürs Gendern, kannst du dich gleich hier zum Newsletter anmelden!

Quellen

1 06.12.2023: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_036_621.html 

2 06.12.2023: https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/image/AC14463004/5/#topDocAnchor und https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/alterseinkuenfte-frauen-gender-pension-gap-101.html

3 06.12.2023: »Lagebild Häusliche Gewalt 2022« des Bundesinnenministeriums https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/07/lagebild-hg.html 

4 06.12.2023: https://www.bundestag.de/parlament/plenum/sitzverteilung_20wp

5 06.12.2023: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/schwangerschaftsabbruch-abtreibung-beratung-100.html und https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/schwangerschaftsabbruch 

6 06.12.23: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gender-health-gap-wieso-die-medizin-frauen-oft-falsch-behandelt/29138120.html


Wenn wir von Frauen und Mädchen oder von Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf strukturelle gesellschaftliche Rollen, die weiblich und männlich gelesene Personen betreffen. Gleiches gilt für die Adjektive “weiblich” und “männlich”. In Statistiken und Studien, die wir zitieren, wird leider oft nur zwischen Frau und Mann differenziert.

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Bildquelle: PINKSTINKS