Ridley Scott: Eine Ode auf den ältesten Feministen Hollywoods

Gleich vorweg: Richtig, Scott hat noch keinen Film gemacht oder produziert, in der die weibliche Hauptrolle eine Frau of Colour ist. Er ist außerdem nicht nur privilegiert, weil er weiß und männlich ist, sondern als Oberoffizierssohn in England geboren wurde. Seine Kunst lernte er am renommierten Royal College of Art in London und arbeitete danach beim BBC, bevor er seine eigene Filmproduktionsfirma gründete und nach Hollywood rüber machte. Wir könnten einen Artikel darüber schreiben, dass Ridley Scott zu einer Riege Filmemacher gehört, von der Frauen lange ausgeschlossen waren und es dort noch immer sehr schwer haben. Wir könnten schreiben, dass es verdammt noch mal ansteht, etwas für den Feminismus zu tun, und dass Scott darin auch noch ein paar Hausaufgaben offen hat.

Gleichzeitig hat Scott mit seinen 79 Jahren sehr viel mehr Filme mit starken Frauenrollen gedreht, als kaum ein Regisseur oder Produzent um ihn herum. Vor allem tat er es schon zu einer Zeit, in der kaum jemand auf die Idee kam, Action-Figuren mit Frauen zu besetzen. Unendlich viele Haus- und Abschlussarbeiten sind über Sigourney Weavers Darstellung von Lieutnant Ripley in „Alien“ geschrieben worden, die Rolle, die Scott als Regisseur 1979 spontan einen Monat vor Drehstart mit einer Frau besetzte und dem einige Sequels folgen sollten.

Es folgte 1991 der Protest gegen das Patriarchat mit „Thelma and Louise“, ein weiterer Klassiker aus der Welt der feministischen Filmsoziologie-Hausarbeiten. Mit viel Humor wollte Scott damals aufzeigen, in was für Rollen wir noch gefangen sind und hoffte, dass Männer durch den Film über sich selbst lachen könnten. Julianne Moore in Hannibal oder Demi Moore als G.I. Jane waren weitere starke Rollen, die er produzierte.

Eine Arbeit Scotts, die mich am meisten berührt und mir selbst Kraft gegeben hat, ist die Serie „The Good Wife“, die er von 2009 bis 2016 produzierte. Richtig, Alicia Florrick (großartig gespielt von Julianna Margulies, die für diese Leistung zwei Emmys und einen Golden Globe gewann) trinkt sicherlich ein wenig viel und ich möchte um nichts in der Welt in ihren 12cm-Heels herumlaufen müssen. Wie diese Frau sich aber nach langer Absenz in das Arbeitsleben zurück kämpft, sich gegen männliche Politikspielchen und den Chauvinismus ihres Ehemannes durchsetzt und dabei ihr eigenes, auch sexuelles Glück sucht, ist stark. Vor allem aber ist sie eine Vollzeit-arbeitende Mutter, die eben nicht alles Übermutter-perfekt hinbekommt: Die Kinder sieht sie abends max. eine Stunde, Tochter Grace scheint teilweise besorgniserregende Freunde zu machen und Sohn Zac baut auch gerne mal Mist, aber die Kids gehen daran nicht zugrunde sondern werden selbstständige Persönlichkeiten. Auch ihre Anwaltspartnerin Diane Lockhardt führt harte Kämpfe gegen Sexismus am Arbeitsplatz und gewinnt heroisch. Die beiden geben einem das Gefühl, dass wir alles schaffen können, nicht perfekt sein müssen und vor allem nicht alleine sind. „The Good Wife“ ist eine der erfolgreichsten TV-Serien, die in den USA je produziert wurden. Leider ist jetzt, nach sieben Staffeln Schluss – es sei denn, man besorgt sich das koreanische Remake oder schaut den Spin-Off „The Good Fight“, der demnächst – leider nicht von Scott und ohne Margulies – produziert wird.

Gefragt, ob er Feminist sei, sagt Scott sofort „Ja“: Sexismus ist real und ein großes Problem. Warum dieser Mensch noch keinen Oscar gewonnen hat, erschließt sich mir nicht: Wenigstens für sein Lebenswerk, zu dem auch Blade Runner und „Der Marsianer“ gehören, wäre diesen Winter (vorraussichtlich 26. Februar) mal einer dran. Schon alleine, um Trump zu zeigen, wie ein „großartiges“ Amerika aussehen kann.