Wird mein Sohn schwul, wenn er Rosa mag?

Die Frage danach, ob Rosa und Pink Mädchenfarben sind, ist gewissermaßen die Gründungsfrage von Pinkstinks. Und obwohl wir sie seit einigen Jahren lautstark, fachlich, protestierend und beispielhaft immer wieder versuchen zu beantworten, lässt ihre Dringlichkeit nicht nach. Denn die Einteilung in rosa und hellblaue Spielzeug- und Kleiderwelten existiert nach wie vor. Eltern werden in den entsprechenden Läden nicht etwa zuerst nach dem Alter ihrer Kinder oder gar nach dem preislichen Rahmen gefragt, indem sich ein Produkt bewegen darf. Die zentrale Frage lautet immer gleich: Junge oder Mädchen. Und mit der Antwort erfolgt die Kategorisierung: Rosa/Pink für Mädchen, Hellblau für die Jungen.

Umso irritierter sind Eltern, wenn ein Junge sich dafür begeistert seine Lieblingspuppe in rosa einzukleiden, sich die Fingernägel zu lackieren oder mit einem pinken Einhorn auf dem Ranzen zur Schule zu gehen. Das war doch so überhaupt nicht vorgesehen. Ist mein Junge überhaupt noch ein „richtiger Junge“ wenn er Rosa mag? Ist er womöglich schwul, wenn er auf pinke Glitzersachen steht.

Die Forschungsergebnisse, die in diesem Bereich zuerst erzielt wurden, ließen tatsächlich Rückschlüsse darauf zu, dass die Vorliebe für Rosa und Pink bei Mädchen in den Genen liegt. Forscher*innen haben 2007 eine Studie veröffentlicht, in der sie die Farbwahrnehmung von 208 Freiwilligen auf geschlechtsspezifische Unterschiede testeten. 37 dieser Testpersonen stammten ursprünglich aus China. Die Prämisse war also, Menschen aus zwei unterschiedlichen Kulturräumen zu untersuchen, in denen Farben unterschiedliche Dinge bedeuten. Und tatsächlich ließen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Farbwahrnehmung von Männern und Frauen feststellen. Allerdings waren die Forscher*innen sehr vorsichtig damit, diese Unterschiede als genetisch festgeschrieben zu bezeichnen. Und zwar aus gutem Grund. Denn ihre 37 chinesischstämmigen Testpersonen lebten zum Zeitpunkt des Tests bereit 6 Monate bis 2 Jahre in Großbritannien. Und wie sich dieser Umstand auf die Farbwahrnehmung auswirkt war nicht Gegenstand der Untersuchung.

Spätere Studien, die an Babys anstatt an Erwachsenen vorgenommen wurden zeigten hingegen deutlich, dass Farben und Farbvorlieben kein Geschlecht haben. Stattdessen verfügen Babys geschlechterübergreifend über eine Vorliebe für Grundfarben wie Rot oder Blau. Ungefähr ab dem Alter von zweieinhalb Jahren entwickeln Mädchen in unserem Kulturkreis eine statistisch auffällige Vorliebe für Rosa, während Jungen diese Farbe auffällig oft ablehnen. Diese Farbvorliebe ist nicht durch Geschlecht angeboren sondern mit Geschlecht assoziiert. Im Grundschulalter nimmt diese Differenz noch zu, bis sie in der Pubertät von einem geschlechtsübergreifenden Interesse an Misch- und Pastellfarben abgelöst wird. Das deckt sich auch mit geschichtlichen Fakten über Farbwahrnehmung:

Rosa und Pink als Mädchen- und Hellblau als Jungenfarbe ist eine Erfindung des 2o. Jahrhunderts. Zuvor waren Rosa und Pink als die kleinere Version des königlichen (Purpur)Rot Jungen zugeschrieben und Hellblau den Mädchen, weil sie als Farbe der Jungfrau Maria galt. An einem Film wie Disneys Zeichentrickversion von Peter Pan aus dem Jahr 1953 lässt sich das gut nachvollziehen.

Wendy trägt ein hellblaues Kleid. Ihr jüngerer Bruder Michael hingegen einen rosa Schlafanzug. In den neueren Versionen der Geschichte sieht das hingegen ganz anders aus.

 

Farben und Farbvorlieben werden also mit Geschlecht verbunden. Und nicht nur mit Geschlecht. Das wird am Beispiel von kulturpezifischen Trauerfarben sehr deutlich: In Deutschland wird überwiegend in Schwarz getrauert, in China in Weiß und in Indonesien in Gelb. In Südkorea hingegen vermeidet man es, Namen Rot zu schreiben, aus dem Glauben heraus, dass diese Person damit als verstorben markiert wird. Nur unter der Grundannahme, dass sich Farbwahrnehmung auch kulturell unterscheidet, konnte die erwähnte Vergleichsstudie zwischen britischen und chinesischstämmigen Testpersonen überhaupt vorgenommen werden.

Rosa ist also keine Mädchenfarbe, genau wie Hellblau keine Jungenfarbe ist. Rosa ist die Farbe, die in unserem Kulturraum seit einigen Jahrzehnten mit Weiblichkeit assoziiert wird und Weiblichkeit mit Schwulsein. Daher die Sorge, ob ein rosabegeisterter Junge schwul sein könnte.

Eine tatsächliche Vorliebe für Rosa ist nie ein Problem – weder bei Mädchen noch bei Jungen. Die Probleme entstehen dadurch, dass den Farben und Geschlechterkonzepten eine Wirkmacht außerhalb der Personen zugeschrieben wird und Kinder ihr Geschlecht über die Farbvorliebe zu belegen haben. Wenn also Mädchen Rosa mögen müssen, um als Mädchen zu gelten, und Jungen es nicht mögen dürfen, um ihren Jungsstatus nicht zu gefährden. Warum Homosexualität kein Problem darstellt und ob sie angeboren oder sozialisiert ist klären wir hier.

Auch und gerade in dieser Frage gilt, was sich Pinkstinks schon lange auf die Fahnen geschrieben hat: Rosa und Pink für Alle! Vielfalt ist Schönheit.

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