Die Frauenquote ist gut für Männer

In der CDU rumort es heftig: Die Zeiten, da eine Bundesfamilienministerin Kristina Schröder 2012 auf die sogenannte Flexi-Quote, und damit auf die Selbstverpflichtung von Firmen setzen konnte, sind wohl endgültig vorbei. Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung war keine gleichberechtigte Wirtschaft zu machen. Die Dax-Konzerne blieben meilenweit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. Einige börsennotierte Unternehmen wie beispielsweise der Rüstungskonzern Rheinmetall, der Bauriese Hochtief, RWE, Sixt und Zalando definierten mit Blick auf einen möglichen Frauenanteil in Vorständen gar die Zielgröße 0. Mittlerweile sympathisiert Bundeskanzlerin Merkel offen mit einer verpflichtenden Quote und nennt die vollständige Abwesenheit von Frauen in den Vorstandsetagen „einen Zustand, den man nicht vernünftig finden kann„. Dafür legt sie sich auch mit dem mächtigen Wirtschaftsrat der CDU an, dessen Präsidentin Astrid Hamker sich über die Pläne der Kanzlerin mokiert hat, weil man „nicht nach Gender-, sondern nach Kompetenzkriterien“ entscheiden solle. Und auch mit der geplanten parteiinternen verbindlichen Frauenquote von 50% für Ämter und Mandate bis 2025 sind nicht alle zufrieden. Und das meint nicht nur die AfD-nahe Werteunion,

sondern auch ein Mann wie der Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß, der die Quote als „leistungsfeindlich“ und als „Instrument von vorgestern“ beschreibt und sie für unfair hält, weil man damit letztendlich „einem Mann sagt, dass er wegen seines Geschlechts nicht kandidieren darf.

Also gut, reden wir über Kompetenz und Fairness. Und ein bisschen auch über Geschichte. Fangen wir damit an, dass die CDU seit ihrer Gründung großer Fan von Quotierungen ist: Die jeweiligen Landesverbände achten seit Jahrzehnten peinlich genau darauf, dass sich ihre Mitgliedsstärke auch in Posten niederschlägt.

Und das betrifft nicht zuletzt auch Quotengegnerin Kristina Schröder, von der durch ein vertrauliches Dokument bekannt wurde, dass Merkel nach dem Ausscheiden von Franz Josef Jung eine Person an den Kabinettstisch holen musste, die ebenfalls aus dem hessischen Landesverband stammt. Wo kam und kommt bei solchen Manövern denn bitteschön das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit zum tragen? Wieso sollte man Politiker*innen mit Posten und Listenplätzen versorgen, die womöglich gar nicht so qualifiziert sind wie die Kolleg*innen aus dem Nachbarlandesverband? Ist das nicht irgendwie, wie war das Wort doch gleich, unfair? Und apropos Leistungsgerechtigkeit: Wollen wir diese Debatte angesichts der geballten Inkompetenz von Andreas Scheuer und Horst Seehofer ernsthaft führen? Sollen das wirklich die Männer sein, die sich in einem langen, innerparteilichen Auswahlprozess in Sachen Verkehrs- und Verteidigungspolitik als besonders sachverständig und fleißig hervorgetan haben und deshalb jetzt Ministerposten bekleiden? Das ist in etwa so lächerlich wie die Annahme, eine Frauenquote würde tatsächlich Männer benachteiligen. Eine Frauenquote schreitet gegen eine jahrhundertelange de facto Quotierung von Männern ein.

Zur Erinnerung:
Seit 1900 dürfen Frauen in Deutschland studieren. Zunächst in Freiburg und Heidelberg. Von Wissenschaftlerinnen und Professorinnen kann da noch nicht die Rede sein.
Ab 1908 dürfen Frauen Parteien und Vereinen beitreten.
Im November 1918 wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen beschlossen. Von 421 Mandaten gingen 37 an Frauen (Ein Hoch auf die Leistungsgerechtigkeit!)
1923 gab es erstmals Polizistinnen, die als „Frauenwohlfahrtspolizei“ allerdings nur mit Fällen rund um Minderjährige und Prostituierte betraut waren.
1949 wurde vor allem auf Betreiben Elisabeth Selberts der Gleichberechtigungsparagraf „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in das Grundgesetz aufgenommen.
Bis 1958 war die Einwilligung des Ehemannes notwendig, um bspw. den Führerschein zu machen.
Ab 1962 konnten Frauen ohne Erlaubnis des Mannes ein Konto eröffnen.
Seit 1969 gelten Frauen als rechtlich voll geschäftsfähig.
1977 wurde die Hausfrauenehe abgeschafft und Frauen durften erstmals arbeiten gehen, ohne sich dafür die Erlaubnis ihres Ehemannes einholen zu müssen, der darüber befand, ob das mit „ihren Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar sei.
1980 wurde gleicher Lohn für gleiche Arbeit beschlossen. Den Gender Pay Gap gibt es aber leider immer noch.
Die SPD führte 1988 eine Frauenquote auf alle Ämter und Mandate von 40% ein.
„Aus sittlichen und gesundheitlichen Gründen“ durften Frauen bis 1992 nicht nachts arbeiten.
Seit 1994 müssen Frauen bei der Heirat nicht mehr den Namen des Mannes annehmen.
Beschämenderweise erst seit 1997 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Leistungsträger Friedrich Merz stimmte dagegen. Ebenso Horst Seehofer, der das Ganze für Nonsens hielt.
2001 wurden alle Laufbahnen der Bundeswehr uneingeschränkt für Frauen geöffnet.
Seit 2016 heißt Nein auch tatsächlich Nein, obwohl es genau das schon immer hieß und hätte heißen müssen.
2017 brachte die Ehe für Alle, aber leider immer noch nicht das Ende der Diskriminierung von lesbischen Paaren bei der Adoption von Kindern.

Man kann die Frauenquote tatsächlich für vorgestrig und unfair halten – allerdings muss man das angesichts der Faktenlage bewusst wollen. Denn die Quote ist ein Instrument, das auf eine bestehende Schieflage reagiert und sie austarieren soll. Dass sie in einer gleichberechtigten Situation überflüssig oder gar unfair wäre, ist zweifellos richtig. Ebenso richtig ist allerdings, dass wir diese Situation erst mit Instrumenten wie der Quote herstellen können, obwohl wir uns wünschen würden, dass es dieser nicht bedarf. Von einer solchen Frauenquote, von Chancengleichheit, Parität und Fairness profitieren übrigens auch Männer. Männer, die dann nicht mehr so häufig über die Schwelle ihrer eigenen Unfähigkeit hinaus befördert würden. Männer, die sich nicht mehr qua Geschlecht für Karriere bereit zu halten hätten. Männer, die Lust auf eine Gesellschaft haben, die nicht immer noch großen Teilen der Gesellschaft Aufstiegsmöglichkeiten und Partizipation vorenthält. Also lasst uns das mit den Quoten endlich durchziehen, damit wir sie nicht mehr brauchen und uns erleichtert von ihnen trennen können. Damit wir die aktive Diskriminierung von Frauen und das passive „Es ist ja alles so gleichberechtigt, was habt ihr denn alle?!“ Geschwätz endlich hinter uns haben. Denn dort gehören diese Dinge hin: Hinter uns. Überwunden. Ausrangiert.

Quelle: Unsplash

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