Gendersprache: Wie ungebildet ist die CDU?

„Niemand sollte in Deutschland gezwungen werden, zu gendern!“ empörte sich CDU-Hamburg-Chef Christoph Ploß (35) vor kurzem in der BILD-Zeitung. Das ist sehr, sehr lustig – denn wir alle werden jeden Tag durch die deutsche Grammatik gezwungen, zu gendern. Unsere deutsche Sprache begründet mit seinem generischen Maskulinum die männliche Vorherrschaft. Auch, wenn die oder der Sprechende das gar nicht möchte: Die Sprache selbst geht davon aus, dass Mann und Mensch gleichgesetzt werden, Frauen kommen als Anhängsel oder „Extra“ vor. Unsere Sprache hat sich nämlich parallel zur Verbreitung des Christentums entwickelt. In den Bibelschriften, die auch Basis für die deutsche Luther-Übersetzung 1534 waren, ist Mann und Mensch dasselbe. Adam, der erste Mensch auf Erden, heißt zwar in Hebräisch neutral „Erdenwesen“, was man mit „Mensch“ übersetzen könnte. Aber er wurde zum Mann, dem eine Frau beschafft werden musste: Die schuf Gott aus seiner Rippe. Eva war irgendwie extra, sein Anhängsel und Untertan, aber er, Adam, kam zuerst.

So wie Gott (von dem oder der man sich eigentlich kein Bild machen soll) und Jesus im praktizierten Christentum immer wieder vertauscht und beide mit „HERR“ angesprochen werden (was theologisch nicht sauber ist), spricht unsere deutsche Sprache im „Preset-Modus“ nur von Männern. Insofern, liebe CDU: Wir gendern alle, jeden Tag. Der CDU-Generalsekretär des Wirtschaftsrates wettert im selben BILD-Artikel: „Gerade Behörden und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind zur Neutralität verpflichtet, sie sollen grammatikalisch korrekt und ohne ideologischen Überbau kommunizieren.“ Ich mache mir bei solchen Sätzen Sorgen, wie viel Bildung in der CDU ist. Unsere Sprache war schon immer ideologisch. Darüber, wie unsere deutsche Sprache entstanden ist und wieviel Ideologie sie enthält, darüber sollten wir nicht mehr streiten müssen. Das ist fast peinlich. Frauen wurden Jahrhunderte verkauft, verheiratet, in Ehen versklavt, durften nicht erben, kein Vermögen anhäufen und hatten keine Rechte – bis zum späten 19. Jahrhundert, eigentlich erst zum späten 20. Jahrhundert. Das Recht, in der Ehe nicht vergewaltigt werden zu müssen, kam erst 1997 – obwohl sich damals aus der Union unter anderem Friedrich Merz, Volker Kauder und Horst Seehofer dagegenstellten. Diese Geschichte ist mit unserer Sprache verbunden, und deshalb kommen wir auch erst jetzt dazu, zu merken, dass wir auch sie ändern müssten, um wirklich gleichberechtigt zu sein.

Wenn FDP-Vize Wolfgang Kubicki (69) im gleichen BILD-Artikel meint: „Wenn Elitensprache benutzt wird, um Nachrichten zu übermitteln, dann nimmt man in Kauf, dass sich ein großer Teil der Menschen sprachlich ausgegrenzt fühlt.“, dann ist das weitaus nachvollziehbarer. Gendersprache ist elitär, genau, wie die Rechtschreibreform von einer Elite erarbeitet wurde (und ich die bis heute nicht geschnallt habe. Ohne Rechtschreibprogramm wäre ich aufgeschmissen). Meine kleine, private Revolution läuft darüber, „dass“ heimlich, bei handgeschriebenen Briefen und Karten, weiterhin mit ß zu schreiben. Meine fast 50-jährige Hand mag sich nicht mehr umgewöhnen. Das ist störrisch und Fortschrittsfeindlich, und ein bisschen davon sollten wir allen gönnen. Aber den Fortschritt mit historisch und linguistisch falschen Tatsachen bekämpfen zu wollen, sollten wir nicht dulden.

Lasst uns doch lieber gemeinsam darauf herumdenken, wie die neue „Gendersprache“ bzw. eine Sprache, die keinem Geschlecht Nachteile verschafft, besser aussehen könnte. Denn dass vieles noch nicht optimal gelöst ist, darauf können wir uns doch eher einigen als darauf, dass die jetzige Sprachform keine Gendersprache ist. Das ist sie nämlich schon längst.