Sean Penn im Hosenkäfig

Das ist also der Grund. Meine Gene sind feige. Seit ungefähr 10 Jahren bekleide ich mich vor allem im Sommer und insbesondere nach Aufforderung meiner Söhne als Teilzeitrockträger mit etwas anderem als Hosen und jetzt weiß ich endlich den Grund dafür. Nicht etwa Solidarität mit meinen Jungs oder Modegeschmack oder Interesse daran, bei über 30 Grad im Sommer in Jeanshosen nicht an einem Hitzschlag zu sterben. Nein, laut des Schauspielers Sean Penn sind meine Gene das Problem.

„Ich glaube, es gibt eine Menge feiger Gene, die dazu führen, dass Leute ihre Jeans aufgeben und Röcke tragen“, sagte er kürzlich in einem Interview anlässlich der Promotour zu seinem neuen Film Flag Day. Außerdem sei er der Überzeugung, dass Männer mittlerweile ziemlich verweiblicht seien und dass Männer ihren Respekt gegenüber Frauen nicht dadurch bekunden sollten, dass sie sich wie Frauen verhalten.
An diese Textstelle gehört ein Seufzer. Ein sehr langer, erschöpfter und frustrierter Seufzer: Noch mal von vorne also. Schon wieder. Wie oft eigentlich noch?


Tja, so oft es eben notwendig ist. Bis auch der und die Letzte begriffen hat, dass Kleidung kein Geschlecht hat und dass der widerlichen Abwertung von Männern als effeminiert und verweichlicht eine noch sehr viel widerlichere Abwertung von Weiblichkeit zugrunde liegt. Also noch mal von vorn das Ganze: Sean Penn hat einige Dinge nicht richtig verstanden. Männer, Frauen, Kleidung, Gene, Feigheit – eigentlich so ziemlich alles. Mit derlei stumpfen Aussagen verteidigt er weder Männlichkeit noch Männer, wie jetzt einige frohlocken.

Das hat er nie getan. Als er sich 2018 darüber mokierte, dass die MeToo Bewegung Männer und Frauen spalten würde, ist ihm komplett entgangen, wie sehr es im Kern um allgemeinen Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt gegen Unterlegene geht.

Die Tatsache, dass das vor allem Frauen betrifft, ist dem Umstand geschuldet, dass Frauen mit großer Selbstverständlichkeit und umfassend als unterlegen markiert werden. Penn scheint außerdem nicht richtig begriffen zu haben, dass die Zuweisung von Härte, emotionaler Distanz und Schmerzresistenz für Männer kein Glücksfall, sondern eine Zumutung ist. Eine Zumutung, die Männer oftmals ihre Freundschaften, ihre Liebesbeziehungen, ihre mentale und physische Gesundheit und am Ende sogar ihr Leben kostet. Männer sind Menschen und Menschen sind immer auch schwach. Hilfsbedürftig, verzweifelt, müde, schutzsuchend, untröstlich, verletzt. Immer dann, wenn Männer durch hypermaskuline Anforderungen zu irgendetwas verpflichtet werden, verflacht und beschneidet man sie. Sean Penn mag sich mit seinen Einlassungen als Fürsprecher von Männern wähnen – tatsächlich stellt er sich damit neben Typen wie den rechtsextremen Fernsehmoderator Tucker Carlson, der gerne die „unerhörte Wahrheit ausspricht, dass COVID Männer verweiblicht“.

Und diese Typen waren niemals gute Fürsprecher für Männer und deren Belange. Übrigens auch nicht für Frauen, denen sie qua Geschlecht eine Art weibliche Hilflosigkeit und Passivität attestieren, die beschützt, geführt und in letzter Konsequenz beherrscht werden will. Frauen können in diesem Weltbild durchaus geschätzt, begehrt und geliebt werden – aber nur wenn sie den ihnen zugewiesenen Platz nicht verlassen. Andernfalls verweist man(n) sie auf eben diesen. Häufig genug mit Gewalt. Dass das Tragen von Röcken zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten durchaus mit Männlichkeit verbunden wurde und wird, hätte sich in den letzten Jahren durchaus zu Sean Penn und Konsorten rumsprechen können, tut aber eigentlich nichts zur Sache. Denn im Kern geht es immer noch darum, dass Kleidung, Gegenstände, aber auch Vorlieben und Verhaltensweisen kein Geschlecht haben. Und was das Gerede über „feige Gene angeht“ – das ist nur einmal mehr ein Beleg für biologisierenden Unfug, mit dem eine heteronormative Zweigeschlechtlichkeit ausgerechnet mit kruden Verweisen auf Biologie verteidigt wird, die in ihrem Kenntnisstand eigentlich schon viel weiter ist.

Das Problem ist also nicht, die „Argumente“ von Sean Penn zu entkräften. Das Problem ist, dass Männer wie Sean Penn wirklich glauben, etwas „zum Frieden zwischen den Geschlechtern“ beizutragen. Ihnen zufolge ist die Welt aus den Fugen geraten, Männer dürfen nicht mehr Männer sein und Frauen werden an die Macht gedrängt. Wir entmännlichen und verweiblichen bis niemand mehr so genau weiß, wer oder was er ist und welche Rolle er oder sie zu spielen hat. Ausgerechnet ein Schauspieler, dem doch klar sein müsste, wie Rollenspiel funktioniert, und der für die Darstellung des homosexuellen Politikers Harvey Milk einen Oskar gewonnen hat, ist mit der freien Repräsentation von Identität überfordert. Das ist kein gutes Zeichen. Es ist die Forterzählung einer Version von Männlichkeit, in der Männer in ihren schwächsten, dunkelsten Momenten niemanden haben, an den sie sich wenden können.

„Keine einzige Seele. Niemanden, weil sie Männer sind.“
Auch deshalb ist es eine gute Idee, sich als Mann ab und zu einen Rock anzuziehen. Und gerade deswegen sollten wir nicht nur darauf setzen, dass Männer wie Penn irgendwann aussterben und sich die Dinge mit einer neuen Generation Männern von selbst verbessern. Diese neue Generation von Männern braucht Liebe und Aufklärung. Sie braucht ein klares Nein! zu Machtmissbrauch und Gewalt. Sie braucht Mitgefühl dafür, in einer Welt zu leben, in der Gesellschaften ihr immer vorhandenes Gewaltpotential an Männer abgeben, um es auszuagieren, anstatt gesamtgesellschaftlich dafür Verantwortung zu übernehmen. Wenn Typen wie Sean Penn von „feigen Genen“ sprechen, reichen Seufzer demnach nicht. Auch wenn ich sie sehr gut nachvollziehen kann und meiner extra lang, erschöpft und frustriert ist. Wenn wir wollen, dass das irgendwann aufhört, müssen wir wohl oder übel immer wieder von vorn anfangen.

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.

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Bildquelle: Sean Penn: Wikimedia Commons contributors
Haarreif: sohel yousuf/Unsplash, Montage: Pinkstinks