Raul Krauthausen fragt: Wie gerecht sind Conni, PAW Patrol & Co? - Schule gegen Sexismus

Wie gerecht sind Conni, PAW Patrol & Co?

Piraten oder Ponys, Ritter oder Prinzessin – fein säuberlich getrennt. Entweder, oder. In Geschichten für Kinder ist die Welt strikt aufgeteilt, und zwar nach Geschlecht. Das gilt nicht nur für Bücher, sondern auch für Filme, Sendungen und Serien.

Bekräftigt wird das Ganze durch sogenanntes „Gendermarketing“. Produkte werden so beworben, dass sie ein bestimmtes Geschlecht ansprechen sollen. Blaue Zahnbürsten gehören demnach den Jungs, während pinke – na klar – Mädchensache sind. Obwohl der Ursprung dieses Rosa-Blau-Quatsch nicht in der Biologie, sondern in einer kapitalistischen Marketingstrategie steckt. Ähnlich verhält es sich aber auch mit vielen Geschichten für Kinder, die – ob auf Buchseiten oder Bildschirmen – für ein bestimmtes Geschlecht geschrieben werden.

Alles halb so wild, jedem Kind das Abenteuer, das am besten gefällt?

Leider nein, denn Geschichten sind so viel mehr als „nur“ Bilder und Worte. Sie prägen unser Weltbild und erklären uns schon im Kindesalter, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Was „normal“ ist. Und was nicht.

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Das Patriarchat hat ausgeschlumpft!

Kinder wachsen mit Geschichten auf, die ihnen ihren Platz in der Welt erklären. Der fatale Trugschluss: Ihr Platz ist qua Geschlecht schon vorher bestimmt.

Das ‚Schlumpfine-Prinzip‘, das auf die US-Autorin Katha Pollitt zurück geht, bringt die Problematik auf den Punkt: Eine Gruppe männlicher Protagonisten mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften erlebt aufregende Abenteuer, während sich die weibliche Figur in der Nebenrolle hauptsächlich durch ihr Geschlecht und lange Wimpern auszeichnet. Dabei werden oft uralte Rollenklischees bedient. In den Worten von Schlumpfine: „Willst du mich denn nicht tragen? Ich bin so hilflos und schwach!“

Klar, die Schlümpfe sind aus den 1950ern – genau wie ihr Frauenbild. Doch ähnliche Rollenbilder finden sich auch heute noch in vielen Kindergeschichten. Der Standard ist nach wie vor die heteronormative Familie mit klassischer Rollenaufteilung: Mama kümmert sich um Haushalt und Kinder, Papa geht in Vollzeit arbeiten. Wie auch in den Geschichten der beliebten Conni-Reihe. Fußball schaut Conni natürlich mit Papa und kann ihrer Mama anschließend erklären, was Abseits ist. Durch die väterliche Expertise haben also gleich zwei Frauen im Haus die Abseitsregel verstanden. Ein Hoch auf die Klugheit des Mannes! *Ironie off*. Angesichts dieser einschränkenden Geschlechterklischees können wir die Tatsache, dass Connis Mama irgendwann einen Teilzeit-Job annimmt, nun wirklich nicht als emanzipatorische Errungenschaft feiern. 

Schlüsselwörter, die Welten versperren

Wie sehr Kinder- und Jugendliteratur durch traditionelle Rollenbilder geprägt ist, hat eine Studie der Süddeutschen Zeitung 2019 anhand von 50.000 Büchern untersucht. Das Fazit: Männliche Helden erleben mehr als doppelt so viele Abenteuer wie weibliche und machen eher spannende Erfahrungen. Weibliche Figuren dagegen befassen sich häufiger mit Tieren, Schule oder Familie und bleiben in ihrer vertrauten Welt.

Im Kinderfilm und -fernsehen sieht’s ganz ähnlich aus. Hier fehlt schlichtweg die Sichtbarkeit weiblicher Figuren, wie eine Malisa-Studie feststellte: Nur eine von vier Figuren ist weiblich. Bei Fantasiefiguren kommen auf eine weibliche Tierfigur ganze neun männliche.

Kinder lernen also von Anfang an auf allen Kanälen, dass Weiblichkeit entweder unwichtig oder unsichtbar ist – oder aber liebevoll-fürsorglich und brav. Männlichkeit bedeutet hingegen Wildheit und Abenteuer. Dazwischen ist wenig Platz für eigene Entfaltung. Und das ist auf mehreren Ebenen ein Problem. Und zwar für alle Geschlechter.

Geschichten wirken ein Leben lang

Denn durch Geschichten entdecken Kinder die Welt um sich herum. Sie lernen Dinge über Beziehungen und soziale Konventionen – also, welches Verhalten okay ist und welches nicht. 

Geschlecht spielt dabei schon früh eine Rolle. Bereits Bilderbücher beeinflussen „die geschlechtlich-sexuelle Identitätsbildung von Kindern“, wie Erziehungswissenschaftler Lars Burghard und Pädagoge Florian Klenk schreiben. Und zwar, indem diese Bücher vorgeben, was typisch für welches Geschlecht ist.

Immer wieder Geschichten mit bestimmten Rollenklischees zu sehen oder zu hören, formt laut Burghard und Klenk das kindliche Verständnis der eigenen Rolle. Denn Kinder identifizieren sich mit den Figuren. So lernen sie, dass bestimmte Interessen, Aktivitäten, Verhaltensweisen oder Berufe für Jungen bzw. Mädchen in Ordnung sind und andere eben nicht.

Wenn ein Kind zum Beispiel ständig liest, sieht und hört, dass Piraten immer männlich sind und Mädchen sich lieber um Ponys kümmern, wird es eher dazu neigen, dieses Rollenbild zu übernehmen. Egal, wie sehr ein Junge sich gern selbst um Ponys kümmert oder ein Mädchen lieber Piratin wäre – das Kind lernt, sich selbst zu begrenzen, um nicht anzuecken.

Anders gesagt: Figuren, die wegen ihres Geschlechts eingeschränkt werden, schränken auch die kindliche Vorstellung von der Welt und der eigenen Rolle darin ein. 

Noch mehr Autorität bekommen diese Normen, wenn die Bücher in Schulen oder innerhalb der Familie gelesen werden. Das Umfeld sorgt also zusätzlich dafür, dass Kinder die gezeigten Rollen als Wahrheit akzeptieren. Bücher sind quasi „Miterzieher*innen“.

Das gilt insbesondere für Geschichten, die weit verbreitet und beliebt sind. Wie es Thomas Crisp und Brittany Hiller in ihrer Untersuchung zu Geschlechterrollen in Bilderbüchern formulieren: „Die Kraft solcher Erzählungen ist beispiellos.“

Denn durch Geschichten entdecken Kinder die Welt um sich herum. Sie lernen Dinge über Beziehungen und soziale Konventionen – also, welches Verhalten okay ist und welches nicht. 

Geschlecht spielt dabei schon früh eine Rolle. Bereits Bilderbücher beeinflussen „die geschlechtlich-sexuelle Identitätsbildung von Kindern“, wie Erziehungswissenschaftler Lars Burghard und Pädagoge Florian Klenk schreiben. Und zwar, indem diese Bücher vorgeben, was typisch für welches Geschlecht ist.

Immer wieder Geschichten mit bestimmten Rollenklischees zu sehen oder zu hören, formt laut Burghard und Klenk das kindliche Verständnis der eigenen Rolle. Denn Kinder identifizieren sich mit den Figuren. So lernen sie, dass bestimmte Interessen, Aktivitäten, Verhaltensweisen oder Berufe für Jungen bzw. Mädchen in Ordnung sind und andere eben nicht.

Wenn ein Kind zum Beispiel ständig liest, sieht und hört, dass Piraten immer männlich sind und Mädchen sich lieber um Ponys kümmern, wird es eher dazu neigen, dieses Rollenbild zu übernehmen. Egal, wie sehr ein Junge sich gern selbst um Ponys kümmert oder ein Mädchen lieber Piratin wäre – das Kind lernt, sich selbst zu begrenzen, um nicht anzuecken.

Anders gesagt: Figuren, die wegen ihres Geschlechts eingeschränkt werden, schränken auch die kindliche Vorstellung von der Welt und der eigenen Rolle darin ein. 

Noch mehr Autorität bekommen diese Normen, wenn die Bücher in Schulen oder innerhalb der Familie gelesen werden. Das Umfeld sorgt also zusätzlich dafür, dass Kinder die gezeigten Rollen als Wahrheit akzeptieren. Bücher sind quasi „Miterzieher*innen“.

Das gilt insbesondere für Geschichten, die weit verbreitet und beliebt sind. Wie es Thomas Crisp und Brittany Hiller in ihrer Untersuchung zu Geschlechterrollen in Bilderbüchern formulieren: „Die Kraft solcher Erzählungen ist beispiellos.“

Wie vielfältige Vorbilder Herzen öffnen

Es ist wichtig, Geschichten zu fördern, die verschiedene Perspektiven, Identitäten und Rollen abbilden und Stereotypen vermeiden. So werden die Möglichkeiten gezeigt, die das Leben zu bieten hat.

Dafür brauchen wir verschiedene Vorbilder mit unterschiedlichen Eigenschaften und Erfahrungen. Kinder wollen nicht immer nur fehlerlose Held*innen sein, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Susanne Keuneke in ihrer Dissertation Geschlechtserwerb und Medienrezeption schreibt. So zeigen beispielsweise nur wenige Bilderbücher Jungs, wie sie mit Ängsten, Schwächen und Liebesbedürfnissen umgehen können. Je nach Situation wollen alle Kinder mal “stark und schwach, aktiv und passiv, durchsetzungsfähig und fürsorglich sein dürfen.”

Wenn Kinder vielfältige Geschichten sehen und hören, in denen Mädchen auch mutige Abenteurerinnen sind, Jungen sich fürsorglich um andere kümmern oder in denen Geschlecht keine Rolle spielt, können sie sich selbst besser in verschiedenen Rollen vorstellen. So entwickeln sie eine positivere und umfassendere Vorstellung von sich und anderen. Und können ihre eigenen Interessen und Stärken unvoreingenommener entdecken.

Toll macht das zum Beispiel das Kinderbuch “Sigurd und die starken Frauen”: Die Wikingerin Freyja sticht mit den anderen Kriegerinnen in See, um Beute zu machen. Ihr Mann Sigurd bleibt zu Hause: Dort kümmert er sich um die Kinder, Felder und Tiere. Eines Tages beginnen sie allerdings an der bisherigen Rollenverteilung zu zweifeln. Aber wollen tatsächlich alle Männer in den Kampf ziehen? Und sind denn alle Frauen zur Kriegerin geboren? Warum macht nicht einfach jede*r das, was die Person am besten kann? Sehr lustig und originell zeigt die Geschichte auf,  wie absurd es eigentlich ist, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts bestimmte Rollen und Fähigkeiten zugewiesen werden.

Eine PINKSTINKS Herzensempfehlung ist das Buch “Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge” von Nils Pickert: Mara ist ein echtes Seeräubermädchen, sie hat 3 Enterhaken und einen Hund namens Landratte. Milo ist ein Prinzessinnenjunge, er besitzt 3 Krönchen und eine Puppe namens Lulu. Mit Mara sticht Milo in See. Von Milo lernt Mara, dass manches besser wird, wenn es glitzert. Doch eines Tages fährt Mara mit ihrem Papa ans echte Meer. Als sich die beiden wiedersehen, stellen sich Fragen zu Identität und Freundschaft, die ganz nebenbei erlernte Geschlechterklischees aufbrechen.

Was noch gegen Klischees hilft: mit Kindern über die Geschichten und über die gezeigten Rollen reden. Also erklären, was an bestimmten Darstellungen nicht okay ist und welche Alternativen es gibt. Das ist ein wesentlicher Schritt in Richtung offenes Weltbild, offenes Herz. Und der Anfang vom Ende des Märchens „Prinzessinnen vs. Piraten“.

How to: Gerechter Geschichten erzählen:

  1. Klischeefrei vorlesen: Bewusst nach Geschichten suchen, die Vielfalt statt Klischees erzählen – zum Beispiel mithilfe des Gendercheck-Tools der SZ. Schaut auch mal ins digitale PINKSTINKS Bücherregal. Hier sammeln wir tolle Lesetipps für alle Altersstufen. 

  2. Stereotype kritisch hinterfragen: Die Lieblingsserie ist voll mit Klischees? Dann ist der erste Schritt, stereotype Darstellungen gemeinsam zu reflektieren. Was ist problematisch und warum? Welche Personengruppen kommen nicht vor? Gibt es  zum Beispiel queere Perspektiven oder Menschen mit Behinderung? Wie kann es anders gehen? Dabei können auch gängige Tests helfen: Die Darstellung von Figuren mit Behinderung reflektiert zum Beispiel der  “Tyrion Lannister-Test”.

  3. Die Rollen tauschen: Wie wär’s, wenn beim nächsten Vorlesen die Prinzessin mal den Ritter befreit? Oder die Ritterin den Prinzen?‘

  4. Selbst Geschichte(n) schreiben: Warum nicht mal kreativ werden und zusammen eigene Geschichten ausdenken? Dabei können Kinder selbst zu Held*innen werden!

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Wenn wir von Frauen und Mädchen oder von Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf strukturelle gesellschaftliche Rollen, die weiblich und männlich gelesene Personen betreffen. Gleiches gilt für die Adjektive “weiblich” und “männlich”. In Statistiken und Studien, die wir zitieren, wird leider oft nur zwischen Frau und Mann differenziert.

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Bildquelle: PINKSTINKS