Mit „Männer reden halt so unter sich“ werden sexistische Sprüche verharmlost. Sie sind auch dann ein Problem, wenn keine weibliche Person sie hört. Was ist schon dabei? Eine ganze Menge.
Wir erinnern uns vage an 2016, als Donald Trump mit Audio-Aufnahmen von „Grab them by the pussy“ in die Schlagzeilen geriet. Er bezeichnete seine sexistischen Aussagen als „locker room talk“ – Umkleidengespräche. Harmloses Herrengeschwätz, das sagt man(n) halt und meint es gar nicht so. Haha, jetzt macht euch doch mal locker außerhalb des „locker rooms“.
Tja, so einfach ist das nicht. Denn Worte prägen unsere Realität. Durch sexistische Sprüche verfestigen sich sexistische Denkmuster. Die wiederum beeinflussen alltägliche Handlungen – und formen die Gesellschaft, in der wir leben.
Warum machen Männer das?
Die Ursachen dafür, dass maskuline Personen sich untereinander sexistische Sprüche um die Ohren hauen und das nicht als Problem sehen, sitzen tief und fest im Gewebe unserer patriarchalen Gesellschaft.
Zum einen sind diese Sprüche ein Versuch, Männlichkeit zu demonstrieren und Kameradschaft herzustellen – wir (Männer) gegen die (Frauen). Diese Abgrenzung fängt schon im Kindergartenalter an und zieht sich durchs Leben, „Mädchen sind doof“, „meine Frau ist zu blöd zum Einparken“ und so weiter. Sexistische Dinge über feminine Personen zu sagen – und sich dadurch überlegen zu fühlen – gehört zu Ritualen patriarchaler Männlichkeit. Verbales Brustgetrommel quasi. Allerdings ist das eine veraltete und ungesunde Form von Männlichkeit, die maskuline Menschen auch selbst stark einschränkt – unter anderem in dem, was sie fühlen und sagen „dürfen“, ohne diese Männlichkeit zu riskieren.
Dabei spielt auch der menschliche Wunsch, dazuzugehören und nicht ausgeschlossen zu werden, eine Rolle. Und dieses Bedürfnis ist sehr stark. Selbst dann, wenn bei Einzelnen Bedenken wegen sexistischer Sprüche innerhalb einer Männergruppe aufkommen, werden sie deshalb lieber verdrängt und runtergeschluckt. Denn laut Soziologie neigen Menschen dazu, sich so zu verhalten, wie es ihr Umfeld ihrer Einschätzung nach von ihnen erwartet. Anders gesagt: Je heftiger die Schenkelklopfer, desto schwächer der Widerspruchsgeist.
Dazu gehört auch, dass viele männliche Personen nicht die geringste Ahnung haben, wie unangenehm sexistische Sprüche den anderen Männern in ihrem Umfeld tatsächlich sein können. Alle denken, das gehört so, das ist halt so – auch, wenn einige diese Sprüche selbst nicht okay finden –, aber weil keiner von und vor der Gruppe lächerlich gemacht werden will, sagt niemand etwas und alle machen mit. Das ist ein echtes Problem.
Was ist auch “Mitlachen” problematisch?
Wenn männliche Personen unter sich sind und Frauen durch sexistische Sprüche, Gesten oder Bilder abwerten, dann ist das kein „Spaß“ oder „nur ein Witz“. Auch nicht, wenn sie für Frauen unhörbar in Männer-Umkleiden oder WhatsApp-Gruppen geäußert werden. Das verringert nämlich weder ihre Bedeutung noch die möglichen Folgen.
Diese Sprüche werten feminine Menschen grundsätzlich ab – als hysterisch, zickig, unfähig zum Einparken, dumm aber geil … Sie objektifizieren sie oft, indem sie sie auf ihre Körper reduzieren und die Körper wie Gegenstände bewerten. Und Gegenstände werden benutzt, sie haben weder Gefühle noch etwas zu sagen.
Außerdem versichern sich männliche Personen durch sexistische Sprüche gegenseitig permanent, dass Objektifizierung und Abwertung okay und normal sind und dass „die Weiber“ sich mal nicht so anstellen sollen. Damit normalisieren sie sexistisches Verhalten. Das wiederum verschiebt die Grenzen jedes Mal ein Stückchen. Und es sind Männer, die festlegen, welches Verhalten akzeptabel ist und wie weit sie gehen können.
Durch abwiegelnde Sätze wie „Ach, das ist doch nur Spaß“ oder „Männer sind halt so“ verharmlosen sie verletzende und zum Teil gewaltvolle Sprache. Falls weibliche Personen das dann mal ansprechen oder kritisieren, wird ihre Reaktion als übertrieben bezeichnet und ins Lächerliche gezogen. Das verschafft den Sprücheklopfern ein reines Gewissen. Denn nach dieser Logik ist nicht etwa das Gesagte ein Problem, sondern die „empfindliche“ Frau, die keinen Spaß versteht.
Unterm Strich werden durch sexistische Sprüche patriarchale Machtstrukturen gefestigt, in denen weiblich gelesene Menschen die Unterlegenen sind. Wieder und wieder. Das bleibt nicht ohne Folgen.
Sprache ist nämlich wirkungsvoll. Wie wir sprechen und denken, beeinflusst unsere Weltsicht und unser Handeln. Worte formen unbewusst das Denken, das Gehirn stellt permanent Verbindungen her und verstärkt sie, wenn sie öfter vorkommen. Wenn männliche Personen weibliche immer wieder sprachlich abwerten und objektifizieren, schaffen sie damit in ihren Köpfen die Grundlage für entsprechendes Handeln. Sie ermöglichen und erlauben es sich selbst nach und nach, Frauen so zu behandeln, wie sie über sie reden und denken. Selbst, wenn sie nach außen behaupten, Frauen durchaus zu respektieren und meinen, das wäre alles „nur Spaß“.
Doch es bleibt auch nicht immer nur bei Worten. Kein Mann wacht eines morgens wie Gregor Samsa in Kafkas „Die Verwandlung“ in seinem Bett auf und beschließt urplötzlich, eine Frau zu belästigen oder zu begrapschen. Dem geht ein sehr langer Prozess voran. Aus Jungs, die ständig zu hören bekommen „Jungs sind halt so“, werden Männer, die keine Grenzen respektieren.
(Sexualisierte) Gewalt gegen feminine Personen wächst aus Strukturen, die sie ermöglichen. Dazu zählen Gedanken, Einstellungen, Glaubenssätze, Sprüche, Verhaltensweisen, die im Alltag immer wieder männliche Dominanz und Überlegenheit festigen. Und laut Studien wie dieser von 2015 besteht durchaus ein Zusammenhang zwischen Normvorstellungen und der Bereitschaft zu Übergriffen.
Wie geht es besser?
Es sind eben nicht bloß harmlose Herrenwitzchen. Was als „Scherz“ gemeint ist, kann irgendwann weitreichende und verheerende Folgen haben. Auch dann, wenn das Gefrotzel nur in reinen Männergruppen stattfindet.
Deshalb ist es so wichtig, dass auch Männer untereinander sexistische Sprüche oder entsprechendes Verhalten nicht tolerieren – sondern sich dem bewusst verweigern. Besser noch: aktiv einschalten und Dinge wie „Das finde ich jetzt aber ziemlich daneben, Klaus-Peter“ sagen. Ja, auch auf die Gefahr hin, als spießiger Spaßverderber zu gelten.
Denn einerseits besteht die gar nicht so unwahrscheinliche Möglichkeit, dass noch andere in der Gruppe das nicht so lustig finden, wie sie vielleicht vorgeben. Andererseits zeigen nur deutlicher Ein- und Widerspruch, dass dieses Verhalten nicht akzeptabel ist. Das ist unbedingt nötig, damit die Normalisierung von Sexismus unterbrochen wird und sich ein angemessenes Frauenbild entwickelt. Gruppenzwang ist dabei keine Ausrede. Für eine Gesellschaft, in der weiblich gelesene Menschen irgendwann nicht mehr diskriminiert, belästigt, begrapscht und unterdrückt werden, kommt es auf jede Stimme an – ja, auch auf deine, Uwe.
Anmerkung: Uns ist bewusst, dass der Text in Teilen nur eine binäre Perspektive darstellt. Hier geht es um die Erläuterung einer patriarchalen Geschlechterdynamik mit einem binären “Mann”-“Frau”-Gefälle, obwohl das längst nicht alle Menschen umfasst.
Bildquelle: Unsplash
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