Energie-Spritzen für den Feminismus

#metoo hat geholfen, den Fall Weinstein aufzubrechen und aus einem „Einzelfall“ irgendwo in Hollywood eine breite und langanhaltende Debatte zu machen, weit über die Filmindustrie hinaus. Wir freuen uns, dass darüber so lange und ausführlich gesprochen und geschrieben wird. Abr auch dieser breite Diskurs wird abflachen, und bis dahin dürfen wir nicht den wichtigsten, nächsten Schritt vergessen: Aktiv zu werden und konkrete Strategien gegen Sexismus zu entwickeln!

Wie das konstruktiv funktionieren kann, haben Stevie und ich beim Filmfest Hamburg erlebt. Bei der Panel-Diskussion „Chancengleichheit für Frauen* in Film und TV“ von WIFT Germany haben wir Frauen gehört, die mit sehr konkreten Vorschlägen und mit ansteckender Energie daran arbeiten, Diskriminierung in ihrer Branche abzubauen und mehr Frauen in verantwortliche Positionen zu bringen. Sie wissen, dass sie mit dem Sexismus-Problem einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung gegenüberstehen, konzentrieren sich in ihrer Arbeit aber auf ihr eigenes kleines Ökosystem, um handlungsfähig zu bleiben.

Da war Anna Serner, Chefin des Swedish Film Institutes. Als sie ihren Posten antrat, wurden drei von vier staatlich geförderten Filmprojekten von Männern gemacht. Anna gab sich vier Jahre Zeit, dieses Missverhältnis auszubügeln und teilte ihren Förderetat 50/50 auf. Im vergangenen Jahr entstanden dadurch 64% der von ihr geförderten Filme unter weiblicher Regie.

Da war Jana Schiedek, die als Senatorin für Justiz und Gleichstellung einen Entwurf für eine Quote in Aufsichtsräten vorlegte und dafür bundesweit viel Beachtung bekommen hat. Seit Februar 2017 ist sie Staatsrätin der Kulturbehörde Hamburg und schreckt auch heute nicht davor zurück, über mögliche Quotenregelungen zu sprechen – und sei es nur als Warnung.

Da war Monique Simard, Chefin der kanadischen Kulturförderung SODEC, die das Geschlechterverhältnis im kanadischen Film mit einem Quotensystem ausgleichen will. Von zwei eingereichten Filmprojekten einer Produktionsfirma muss mindestens eines von einer Regisseurin realisiert werden.

Da war Maria Köpf, Chefin der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, die bereits vor vielen Jahren mit Harvey Weinstein zusammengearbeitet hat und schon damals klare Worte für ihn fand („Er hat sich verhalten wie ein Schwein“). Ihre Fördergremien besetzt sie paritätisch, was in Deutschland leider noch immer nicht Standard ist, und sie lobt Norddeutschland für seine vielen starken weiblichen Regisseurinnen und Produzentinnen.

Und da war die Journalistin Katja Eichinger, die die Diskussion moderierte und in ihrer Aufgabe glänzte. Entweder mit den richtigen, auch unbequemen Fragen oder aber mit freundlicher Zurückhaltung und ehrlichem Interesse. Erst ganz am Ende nahm sie sich ihren Raum und forderte: „Wenn es um öffentlich finanzierte Kunst geht, dann muss diese auch die Gesamtgesellschaft abbilden!“

Natürlich begann auch diese Diskussion mit Harvey Weinstein. „Es ist unglaublich in einer Industrie, in einer Gesellschaft zu leben, die so ein Verhalten begünstigt“, sagte Maria Köpf. „So viele Menschen profitieren von diesem System, dass niemand sich traut, es zu durchbrechen.“ Nun kann man vor dieser Einsicht ohnmächtig verstummen oder sich in abstrakten Detailfragen verlieren. Stattdessen haben es die Frauen für einen anderen Weg entschieden. Sie konzentrieren sich auf ihre eigenen Wirkungsbereiche und setzen sich realistische Ziele, um tatsächlich eine Veränderung anzustoßen. Sie nutzen Panels, um ihre Strategien zu bündeln und setzen damit wahnsinnig viel Energie und Tatendrang frei.

Und uns würden sie wohl dasselbe raten: „Stop talking, start acting!“ Brecht die Diskussion auf euren Alltag runter, schaut, welche Möglichkeiten euch zur Verfügung stehen und handelt! Sucht euch Leute, die euch Energie geben, denn der Weg ist lang. Und wenn wir wirklich an den herrschenden Verhältnissen rütteln wollen, dann müssen wir verstehen, dass der größte Teil der Arbeit noch aussteht. Denn #metoo hat gerade erst begonnen.