Hart aber unfair

Eigentlich wollten wir schon letzten Mittwoch eine Pinkwatch über die Neuauflage der ARD Sendung „Hart aber fair“ zur Genderthematik machen, aber dann haben wir uns doch dafür entschieden, die Pressereaktionen abzuwarten, um euch hier einige vorstellen zu können. Aber wir fangen am Besten von vorne an. Anfang diesen Jahres hatte Frank Plasberg eine Gästerunde zum (sagen wir einfach mal) Thema „Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn“ eingeladen und sich bis auf die Knochen blamiert.

https://www.youtube.com/watch?v=QApizuolG8s

Mit offener Unverholenheit sympathisierte der Moderator da mit unterkomplexen Vergleichen zur Gleichberechtigung, nickte gnädig unzusammenhängendes Halbwissen über die Genderforschung ab und verstieg sich mit Hilfe seiner Redaktion darauf, zentrale Fragen des gesellschaftlichen Miteinanders auf ein so dümmliches Niveau tieferzulegen, dass sich für den obligatorischen Faktencheck hinterher weit und breit keine Fakten finden ließen. Selten war Politik auf so viel Ahnungslosigkeit getroffen. Anne Wizorek und Anton Hofreiter bemühten sich zwar redlich, gegen die unzulässige Vermischung von Themenkomplexen (Genderforschung = Gender Mainstreaming = Ampelmännchen = Unisextoiletten = Hihi!) anzudebattieren, aber die Würfel waren längst gefallen. Die Sendung, in der die beiden mit einer schier endlosen Kette an thematischer Unbedarftheit konfrontiert wurden, hätte auch gut „Tschända? Wat solln der Käse?!“ heißen können. Sachverhalte wirkten eher störend und Meinungen wurden großflächig damit legitimiert, dass mehrfach behauptet wurde, es sei ja ein Akt des Widerstands, wenn nicht der Unmöglichkeit, sie überhaupt noch äußern zu können.

Dementsprechend fielen die Reaktionen auf die Sendung aus. Landauf, landab hagelte es Beschwerden über die zur Schau gestellte Unseriösität der Debatte. Nachdem der WDR im Sommer entschied, die Sendung aus der Mediathek zu nehmen, erhob die Gegenseite Zensurvorwürfe. So weit sei es schon gekommen, dass man das Knie der Pressefreiheit vor dem Ansturm der Genderlobbygruppen beuge. Also kam das Ganze zurück in die Mediathek. Wenig später folgte die Ankündigung eines „Ampelmännchen Reloaded“. Noch eine Sendung zum Thema also, wo man mit den gleichen Gästen inklusive des WDR Direktors Jörg Schönenborn und der stellv. Vorsitzenden des Landesfrauenrats Niedersachsen Sybille Mattfeldt-Kloth vielleicht nicht alles aber doch vieles besser machen wollte. Leider wurde daraus nichts.

https://www.youtube.com/watch?v=uNJW7UP1eT8

Unter dem Titel „Was darf zu Mann und Frau noch gesagt werden?“ wurde auch dieses Mal der Genderbegriff zum medialen Freiwild erklärt. Sophia Thomalla ließ wissen, dass Frauen, die für Gleichberechtigung kämpfen, wohl noch nie ein Kompliment bekommen hätten. Birgit Kelle fiel schon wieder nicht auf, dass sie sich vor Ort für das Ausprechen der Meinung zuschauen und bezahlen lässt, keine Meinung haben zu dürfen. Außerdem fühlte sie sich erneut von Minderheiten verfolgt. Der Moderator schließlich überließ es Anne Wizorek kritisch nachzufragen (Wieso wurden keine Genderlehrenden eingeladen?), kanzelte sie als „albern“ ab und erkundigte sich bei Mattfeldt-Kloth, ob sie mit ihm flirte – immerhin habe er ja blaue Augen. Nicht nur die Presse fand das sehr vorhersehbar und ob des mangelnden Erkenntnisgewinns schlicht unnötig. Allerdings trat sie auch nach – und zwar in Gestalt von (auch wenig überraschend) Jan Fleischauer, der den fiesen Genderisten nachzuweisen glaubte, dass sie genau wie die Kreationisten die Biologie, ja vielleicht sogar die ganze Naturwissenschaft abschaffen wollen. Mag diese These auch gerade im Trend liegen, sie stimmt trotzdem nicht. Die Gender Studies wollen die Biologie ebenso wenig abschaffen wie die Städtesoziologie die Architektur. Die Erkenntnis, dass unsere geschlechtliche Identität auch kulturell geprägt ist, ist nicht als Ersatz sondern als präzisierende Erweiterung zum biologischen Geschlecht gedacht. Aber so sehr auch die Belege zum Beweis der Unwissenschaftlichkeit von Gender Studies fehlen, lässt sie sich doch zumindest mit steter Beharrlichkeit behaupten – nicht nur in Sendungen wie „Hart aber fair“.

Fazit:
Dass man von einer „Unterhaltungssendung“ (Mattfeldt-Kloth) wie „Hart aber fair“ keine tiefgreifenden Erkenntnisse zur Genderdebatte erwarten kann, ist das eine. Dass aber gerade in Zeiten, wo andere Themen medial viel bestimmender sind, die Unbedarftheit besonders schmerzt, mit der hier ein Feld zum wiederholten Mal der Lächerlichkeit preisgegeben wird, in dem man hart um zentrale Fragen des menschlichen Miteinanders ringt, ist das andere.

Nils Pickert