Kommt jetzt ein bundesweites Gesetz gegen sexistische Werbung?

Obwohl wir fast täglich über sexistische Werbung schreiben, haben wir lange schon nicht mehr über unsere Kampagne zur Gesetzesnorm gegen sexistische Werbung gebloggt. Gerade diese Tage werden wir von der Presse oder anderen Interessierten gefragt: Fordert ihr denn noch eine Gesetzesnorm?

Denn Bremen hat es getan: Der Senat des Landes hat im April einen Beschluss verabschiedet, Sexismus in der Werbung auf stadteigenen Flächen verbieten zu können. Wir sind davon beeindruckt! Besonders begeistert uns, dass sogar Ströer auf seinen Werbetableaus auf die Entscheidung des Senats und die stadteigene Beschwerdestelle hinweist. Ströer, Norddeutschlands größter Werbeflächenmakler, der bisher jede Verantwortung für sexistische Inhalte auf seinen Flächen ablehnte, hilft jetzt mit. Auch das Plakat oben wird die Firma auf 120 ihrer Plakatwände in Bremen hängen. Das gleicht einer absoluten Revolution. Wird das Werben gegen Sexismus jetzt bundesweiter Trend? Und wichtiger: Wird es eine bundeweite Gesetzesnorm geben? Ist Bremen erst der Anfang?

Seit 2013 haben wir uns intensiv für eine Gesetzesnorm eingesetzt, die Sexismus (= Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) definiert und Werbetreibende durch Richterbeschlüsse zwingen kann, sexistische Werbung zurück zu ziehen. Wie viele von euch wissen, sind wir damit weit gekommen: Nach intensiver Öffentlichkeitsarbeit zum Thema sprachen sich im Januar 2016 der SPD-Bundesvorstand und im Juni 2016 die SPD-Basis für eine strengere Kontrolle sexistischer Werbung aus, der Bundesvorstand plädierte sogar für ein Verbot sexistischer Werbung.

Doch dann kam alles ganz anders. Justizminister Heiko Maas (SPD) bekam für die Prüfung der von uns vorgelegten Gesetzesnorm medial ordentlich Ärger, insbesondere von FDP und CDU. Wie auch wir schon wussten, weckt eine Gesetzesnorm gegen Sexismus in der Bevölkerung wenig Begeisterung. Das findet man gerne spießig, unnötig, ein Luxusproblem und überzogen: Die Gesetzesnorm war immer ein Nischenthema. Die Verbraucherpolitiker*innen der SPD beschäftigten sich mehrere Monate intensiv mit der Gesetzesnorm und stellten sie im September 2016 vorerst zurück. MdB Christian Flisek (SPD) erklärte in Berlin der feministischen Szene, dass ein Monitoring statt einer Gesetzesnorm als Kontrolle sexistischer Werbung in der Diskussion sei. Sein Fazit: Bevor man das Gesetz verändere, sollten konkrete empirische Daten gesammelt werden und alle Alternativen erschöpft sein. Er schloss dabei die Implementierung der Norm nicht aus, doch ein Monitoring zur Datenerhebung und Prüfung verschiedener Maßnahmen sollte ihr voran gestellt werden. Hier seine Argumente in Gänze:

Im Januar 2017 wurden wir von Pinkstinks das erste Mal in diese Diskussion eingebunden, im März erhielten wir den Auftrag, Bildungsbausteine und Kommunikationswege für das Monitoring zu entwickeln und letzte Woche erhielten wir den offiziellen Bescheid, ab Ende September 2017 zwei Jahre lang sexistische Werbung in Deutschland „überwachen“ zu dürfen. Was genau heißt das? Wir werden Daten sammeln: Mit eurem Smartphone könnt ihr uns sexistische Werbung einsenden, wir machen sie auf einer Karte sichtbar, katalogisieren sie und zeigen euch, wo sie geballt vorkommt. Damit zeigen wir auch, wo wir aktiv werden müssen oder geworden sind und welche Auswirkungen das hatte. Gleichzeitig erarbeiten wir Bildungsangebote an Schulen, in Werbeagenturen, in Kommunen und in der Kneipe nebenan, um gegen Sexismus in der Werbung zu sensibilisieren. Wir haben spannende Pläne und erwarten sehr viel davon.

Ersetzt das alles eine Gesetzesnorm? Jein. Erst einmal haben wir für den Antrag zum Monitoring schon in den letzten Wochen so viel gearbeitet, dass das Campaigning für die Gesetzesnorm in den nächsten zwei Jahren ausfallen muss: Wir haben keine Ressourcen dafür. Also wird das Monitoring unser Agieren für eine Gesetzesnorm ersetzen. Andere aber machen sicher weiter. So hat die Bundeskonferenz der Frauenminister*innen gerade letzte Woche die Bundesregierung aufgerufen, eine gesetzliche Regelung gegen Sexismus in der Werbung weiter zu prüfen. Faktisch tut die Regierung das schon, in dem sie uns mit dem Monitoring beauftragt: Schaffen wir es bis 2019 nicht, Wege aufzuzeigen, mit denen Sexismus in der Werbung deutlich verringert werden kann, muss die Gesetzesnorm als Alternative verhandelt werden.

Vorerst konzentrieren wir uns mit aller Kraft auf pressewirksame Kampagnen, Bildungsarbeit und eine schicke neue Webseite, um für Sexismus in der Werbung eine noch größere Gegenbewegung zu schaffen. Das heißt aber nicht, dass wir vor Bremen nicht den Hut ziehen und herzlich gratulieren. Wir melden uns Ende September dann auch mal bei Ströer, vielleicht unterstützen die unsere Hamburger Kampagnen. Ohne die Bremer Aktion wäre das wahrscheinlich noch auf Jahre aussichtlos. Dafür ein großes Danke, Bremen!

PS: Tut euch bitte nicht die Presseartikel zum Bremer Entschluss an. Wir haben nur bei Radio Bremen ein Titelbild zum Thema gefunden, dass wir als sexistisch einstufen würden, der Rest ist sexualisierte Werbung, die niemand verbieten möchte. So viel, nach wie vor, zur Recherchefähigkeit und Befangenheit von Bildredaktionen.