Britney Spears ist das sichtbarste Beispiel: Volle 13 Jahre stand die US-amerikanische Sängerin unter der Vormundschaft ihres Vaters Jamie Spears, der in dieser Zeit so ziemlich jeden Bereich ihres Lebens kontrollierte oder kontrollieren ließ: Was sie isst, mit wem sie sich trifft, wo sie wie oft auftritt, was mit ihrem Geld geschieht. Sogar ob sie weitere Kinder bekommen darf, stand ihr nicht frei. Um das herauszufinden, hat die New York Times in der Aufsehen erregenden Dokumentation Controlling Britney mit ehemaligen Sicherheitskräften gesprochen, die von Jamie Spears zur totalen Überwachung seiner Tochter eingesetzt wurden. Ihre Kommunikation wurde abgehört, jeder ihrer Schritte genau beobachtet. Einer der damals Verantwortlichen brachte es auf den Punkt: „Im Prinzip war das nichts anderes als ein Gefängnis und wir waren die Gefängniswärter.“
Dass mit der Vormundschaft von Jamie Spears über seine Tochter etwas nicht stimmen könnte, ist ein langgehegter Verdacht einer über die Zeit immer größer werdenden Online-Gemeinschaft. Der #FreeBritney-Bewegung fiel auf, dass die Sängerin sich in den sozialen Netzwerken stets von zu Hause aus meldete und niedergeschlagen wirkte. Traumatisiert, wütend und traurig sei sie, sagte die Sängerin. Sie sei zum Arbeiten gezwungen worden und hätte keinerlei Zugriff auf ihr Geld. Ein Vermögen, das sich nach Schätzungen auf rund 50 Millionen Dollar beläuft. Unter dem Eindruck der Proteste und der anhaltenden Berichterstattung hat Jamie Spears inzwischen beantragt, dass ihm die Vormundschaft entzogen wird. Dem wurde stattgegeben. Er wird es nicht gern getan haben, denn seine Tochter war sein persönlicher Goldesel. Damit ist er einer von vielen Männern, die Frauen auf die eine oder andere Weise zu Karrierezwecken missbrauchen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten. Framing zum Beispiel. So wie es der Sänger Justin Timberlake nach der Trennung von Britney Spears tat. Er war der verletzte Boyfriend, den sie betrogen hatte. In Interviews erzählte er, dass er ihr versprochen habe, den Grund für die Trennung nie zu nennen – nur um Sekunden später genau das zu tun. Er schrieb Songs über sie, in denen er sie als schlechten Menschen und furchtbare Freundin inszenierte. Er prahlte damit, „ihre Jungfräulichkeit genommen zu haben“.
Er machte auf ihre Kosten Karriere. Übrigens auch auf Kosten von Janet Jackson, der er in der Halbzeitshow des Superbowls 2004 die Brust vor 150 Millionen Menschen entblößte. Die Öffentlichkeit war schockiert und sich schnell darüber einig, dass Jackson Nipplegate inszeniert habe, um ihr neues Album zu promoten. Und Timberlake, den Jackson über Jahre hinweg protegiert hat, ist wieder mal fein raus. Hat Auftritte, wird gefeiert, wird als Opfer einer sexuell unersättlichen schwarzen Frau bemitleidet. Erst kürzlich hat er sich dafür „entschuldigt“, dass er davon profitiert hat, wie Britney Spears und Janet Jackson runtergemacht wurden. Die Anführungsstriche stehen hier, weil er dafür „eine Industrie“ verantwortlich macht und seine „Ignoranz“. Auch wenn die Musikbranche zweifellos sexistisch und rassistisch ist und Timberlake mit Sicherheit ignorant, ist das doch ausgesprochen passiv formuliert für jemanden, der sich an diesen Frauen hochgezogen und Nipplegate laut Aussagen eines beteiligten Stylisten geplant hat. Aber am Ende will Mann es nicht gewesen sein oder nicht so gemeint haben. So wie Janet Jacksons Vater Joe, ein gescheiterter Blues-Musiker, der seine Kinder mit Missachtung, Härte und Gewalt zum Erfolg zwang. So auch Janet, die sich mit ihrem dritten Album mit dem vielsagenden Titel Control der Kontrolle ihres Vaters entzog.
Kontrolle ist der Schlüsselbegriff, wenn es darum geht, dass diese Art „Karrieremänner“ erfolgreiche und/oder talentierte Frauen unter ihren Einfluss bringen wollen. Dazu müssen sie mit ihren eigenen Karrieren übrigens nicht so erfolglos gewesen sein wie Joe Jackson. Der erfolgreiche Musikproduzent Tommy Mottola beispielsweise heiratete die 20 Jahre jüngere Sängerin Mariah Carey, die ihre achtjährige Ehe mit ihm als – Überraschung – Gefängnis beschreibt. Er versuchte, jeden Aspekt ihres Lebens und ihrer Karriere zu kontrollieren, sperrte sie im gemeinsamen Haus ein, bedrohte sie mit einem Messer. Eine ähnliche Vorgehensweise pflegt der Musiker Ryan Adams mit jungen talentierten Frauen. Opfer seiner Übergriffgkeiten stellen dabei einen wichtigen Punkt heraus. Adams verfügt über ein großes Netzwerk von Menschen, die ihm unwissentlich dabei helfen, diese Kontrolle auszuüben und sein Verhalten niemals hinterfragen, niemals kritisieren.
Es sind solche Netzwerke, die Tätern ermöglichen, ihr Verhalten zu normalisieren und sich selbst als Opfer zu fühlen. Der ungekrönte König der „Karrieremänner“ ist allerdings Ike Turner. Ein Mann, der das Talent und den wachsenden Erfolg seiner damaligen Frau Tina Turner so unerträglich, so ehrverletzend fand, dass er sie halb tot prügelte. Er kontrollierte ihre gemeinsame Karriere und nahm ihr ganzes Geld. Er verbrannte sie, er brach ihr den Kiefer, er vergewaltigte sie. Später rechtfertigte er sich dafür, indem er alles herunterspielte und sich über ihre „Stimmungen“ beschwerte.
Es ist keine vollständige Liste, die wir hier liefern. Das ist angesichts der schieren Anzahl und der Verschwiegenheit rund um dieses Thema auch gar nicht möglich. Aber es ist ein guter Anlass, über die Gerüchte und Beispiele, die wir alle kennen, mal im Zusammenhang nachzudenken und ein Muster zu identifizieren. Denn auch wenn es große Unterschiede zwischen diesen „Karrieremännern“ gibt, was die Wahl ihrer Mittel anbelangt, so scheint es doch immer darum zu gehen, Frauen zu kontrollieren, sich an ihnen schadlos zu halten, und die eigene Karriere zu fördern. Frauen, denen sie mit Unterstützung viel zu vieler Menschen weismachen, dass sie schwach sind, unbedeutend und auf sie angewiesen. Frauen, die ohne sie besser dran sind.
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Bildquelle: Agni B / unsplash