Feminismus ist nur was für Frauen in lila Latzhosen? Weit gefehlt. Feminismus ist für alle!
Feminismus hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren enorm entwickelt und hört auch heute nicht damit auf. Den Feminismus gibt es deshalb nicht. Es ist kein geschützter Begriff mit einer für immer gültigen, eindeutigen Definition. Sondern eine vielfältige politische Bewegung, in der es verschiedene Strömungen, Diskussionen und Meinungen gibt. Und in der auch heftig gestritten wird.
Im Kern der Idee steckt aber die Gleichberechtigung – niemand soll aufgrund des Geschlechts diskriminiert und benachteiligt werden.
Das Patriarchat hingegen unterdrückt alle Menschen, die keine cis Männer (Männer, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) sind: Es legt Hierarchien fest und schreibt Rollen vor, wie sich alle in der Gesellschaft zu verhalten haben. Darunter leiden auch cis Männer, weil sie auf bestimmtes „männliches“ Verhalten festgelegt sind. Dadurch dürfen sie zum Beispiel keine Gefühle zeigen und nicht weinen, ohne dass sie an Männlichkeit einbüßen – und dafür ausgelacht, gemobbt oder angegriffen werden. Stichwort: toxische Männlichkeit. Klar ist also:
Das Patriarchat schadet nicht nur Frauen, sondern allen Geschlechtern – auch Männern.
Einige von ihnen verstehen das und wollen sich dagegen wehren. Das ist super!
Grundsätzlich bedeutet Feminist*in zu sein erstmal nur, sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen – ungeachtet des Geschlechts – gleich viel wert sind, dass sie die gleichen Chancen verdienen, die gleichen Rechte und Pflichten haben. Und dass geschlechtsbasierte Diskriminierung und Unterdrückung überwunden werden müssen. Das können natürlich auch Männer tun und ihre gesellschaftliche Machtposition dafür nutzen.
Ob das sinnvoll ist, kommt allerdings darauf an. Zum Beispiel, ob ein Mann wirklich feministisch denkt und handelt. Oder ob er sich Feminismus nur als flottes Label auf die Jeansweste pappt, sich aber nicht die Mühe macht, seine eigenen Vorteile und Verhaltensweisen im Patriarchat zu hinterfragen – das wäre nämlich anstrengend und unbequem für ihn.
Wer sich zum Beispiel nur als Feminist bezeichnet, weil er eine Tochter hat und deshalb die Welt plötzlich mit anderen Augen sieht; wer seinen Feminismus auf Mami und die eigenen Schwestern beschränkt, bei sexistischen Sprüchen unter Kumpels aber schenkelklopfend mitlacht; wer sich als Jahrhundervater feiert, weil er am Wochenende zwei Stunden mit den Kids auf den Spielplatz geht, kann sich seinen „Feminismus“ getrost in die Haare schmieren.
Oberste Regeln im Feministen-Club:
- Zuhören. Also, wirklich richtig zuhören. Und nicht, wenn Frauen von einer bestimmten Erfahrung berichten, reflexartig ins „ABER NICHT ALLE MÄNNER!“ verfallen.
- Außerdem: Mund aufmachen. Kumpel Mike haut frauenfeindliche Witze raus, die schon in den 90ern daneben gewesen wären? „Find ich nicht lustig“ sagen. Statt innerlich augenrollend zu schweigen.
- Und: mitdenken. Also, nicht ab und zu mal den Müll rausbringen und sich danach gedanklich eine Goldmedaille umhängen, sondern die Hausarbeit mit organisieren – ist noch genug Waschmittel da, welche Schuhgrößen haben die Kinder?
- Oder auf einer dunklen Straße nicht hinter einer Frau hergehen, sondern die Straßenseite wechseln.
- Und beim Sex immer – immer! – Einwilligung einholen, jedes Nein akzeptieren. Und das sind nur ein paar Beispiele.
Cis Männer, die Feministen sein wollen, müssen deshalb aber nicht ihre männlichen Interessen und Probleme links liegen lassen. Sondern erkennen, dass die patriarchale Gesellschaft aus unterdrückenden Strukturen besteht, von denen cis Männer profitieren – auch sie selbst. Sie sollten verstehen, dass die Männlichkeits-Vorstellungen im Patriarchat auch sie und ihr Leben einschränken. Und sie sollten sich mit den unterdrückten Frauen und Minderheiten solidarisieren und immer wieder offen für sie einsetzen.
Das Gegenteil von Patriarchat ist nämlich nicht die Bevorzugung von Frauen in der Gesellschaft. Das Ziel von Feminismus ist die Gleichberechtigung. Warum es dann nicht Humanismus, sondern Feminismus heißt, haben schon viele erörtert.
Zur Frage, ob Männer sich auch selbst mit dem Wort „Feminist“ bezeichnen können, gibt es verschiedene Meinungen. Einige finden, dass der Begriff „Ally“ – also Verbündeter – angebrachter wäre. Andere wiederum finden, dass nicht die Biologie darüber entscheiden sollte, ob jemand sich Feminist nennen sollte oder nicht. Auch Feminist*innen untereinander sind nicht immer einig, wer ein*e „richtige*r“ Feminist*in ist oder nicht.
Es kann allerdings helfen, wenn ein Mann die Bezeichnung Feminist öffentlich für sich selbst verwendet. Dadurch kann er andere Männer zum Nachdenken bringen oder auch zur Nachahmung animieren.
Also: Ja, ein Mann kann selbstverständlich Feminist sein – er sollte sogar. Denn für eine gerechtere Gesellschaft für alle Menschen zählt jede*r Mitstreitende. Wichtiger als der Begriff an sich sind aber – wie so oft im Leben – die Taten.
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Bildquelle: Clay Banks/Unsplash