Können Männer Feministen sein?

Dieser Artikel ist erstmals erschienen am 8. September 2021. Wir haben ihn aktuell überarbeitet.

Feminismus ist nur was für Frauen in lila Latzhosen? Weit gefehlt. Feminismus ist für alle!

Feminismus hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren enorm entwickelt und hört auch heute nicht damit auf. Den Feminismus gibt es deshalb nicht. Es ist kein geschützter Begriff mit einer für immer gültigen, eindeutigen Definition. Sondern eine vielfältige politische Bewegung, in der es verschiedene Strömungen, Diskussionen und Meinungen gibt. Und in der auch heftig gestritten wird.

Im Kern der Idee steckt aber die Gleichberechtigung – kein Mensch soll aufgrund des Geschlechts diskriminiert und benachteiligt werden.

Das Patriarchat hingegen unterdrückt alle Menschen, die keine weißen, nicht-behinderten, heterosexuellen cis Männer (Männer, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) sind: Es legt Hierarchien fest und schreibt Rollen vor, wie sich alle in der Gesellschaft zu verhalten haben. Darunter leiden dann eben auch cis Männer, weil sie auf bestimmtes „männliches“ Verhalten festgelegt werden. Sie dürfen zum Beispiel keine Gefühle zeigen und bloß nicht weinen, ohne dass sie an Männlichkeit einbüßen – und dafür ausgelacht, gemobbt oder angegriffen werden. Stichwort: toxische Männlichkeit. Klar ist also:

Das Patriarchat schadet nicht nur Frauen, sondern allen Geschlechtern – auch Männern.

Einige von ihnen sehen und verstehen das und wollen sich dagegen wehren. Das ist super 💜!

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Grundsätzlich bedeutet Feminist*in zu sein erstmal nur, sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen – ungeachtet des Geschlechts – gleich viel wert sind, dass sie die gleichen Chancen verdienen, die gleichen Rechte und Pflichten haben. Und dass geschlechtsbasierte Diskriminierung und Unterdrückung überwunden werden müssen. Das können natürlich auch Männer tun und ihre gesellschaftliche Machtposition dafür nutzen.

Dabei kommt’s dann ganz darauf an, ob ein Mann wirklich feministisch denkt und handelt. Oder ob er sich Feminismus nur als flottes Label auf die Jeansweste pappt, sich aber nicht die Mühe macht, seine eigenen Vorteile und Verhaltensweisen im Patriarchat zu hinterfragen – das kann nämlich ganz schön anstrengend und unbequem werden.

Feminist und Verbündeter zu sein bedeutet mehr als die Tochter, Schwester oder Mutter in den Mittelpunkt der eigenen Welt zu rücken. Wer zum Beispiel trotzdem noch bei sexistischen Sprüchen unter Kumpeln aus Bequemlichkeit mitlacht oder nichts dagegen sagt; wer denkt er würde sich ausreichend kümmern, weil er am Wochenende zwei Stunden mit den Kids auf den Spielplatz geht, der steht noch ziemlich am Anfang des Feminist*innen 1×1. Aber keine Sorge, das lässt sich ändern!

GEMEINSAM GEGEN SEXISMUS – 8 TIPPS FÜR VERBÜNDETE

  • Zuhören. Also, wirklich richtig zuhören. Erfahrungen von Frauen und weiblich gelesenen Personen genug Raum geben. Und sich am besten reflexartige Reaktionen wie “aber nicht ALLE Männer” verkneifen.

  • Mund aufmachen. Kumpel Mike haut frauenfeindliche Witze raus, die schon in den 90ern daneben gewesen wären? „Find ich nicht lustig“ sagen. Statt innerlich augenrollend zu schweigen.

  • Und: mitdenken. Also nicht ab und zu mal den Müll rausbringen und sich danach gedanklich eine Goldmedaille umhängen, sondern die gemeinsame Hausarbeit selbstverständlich mit organisieren – ist noch genug Waschmittel da, welche Schuhgrößen haben die Kinder?

  • Oder auf einer dunklen Straße nicht hinter einer Frau oder weiblich gelesenen Person hergehen, sondern lieber die Straßenseite wechseln.

  • Und beim Sex immer – immer! – Einwilligung einholen. Jedes Nein akzeptieren; kein Ja ist auch ein Nein!

  • Informieren und weiterbilden – und das selbstständig. Dazu Aktivist*innen und Organisationen auf Social Media folgen. Und eine feministische Timeline erstellen, um Up to date zu bleiben. 

  • Perspektiven wechseln und intersektionale Erfahrungen berücksichtigen! Beispielsweise Filme und Dokus von Frauen und queeren Personen schauen. Podcasts und Musik von Schwarzen und behinderten Menschen hören. Und mehr feministische Bücher lesen. 

  • Solidarisch sein. Zum Beispiel gemeinsam auf Demos gehen und gegen das Patriarchat ein Zeichen setzen! Und immer fragen, ob Unterstützung gewünscht wird.

Und das sind nur ein paar Beispiele. Cis Männer, die Feministen sein wollen, müssen deshalb aber nicht ihre “männlichen” Interessen und Probleme links liegen lassen. Es geht darum zu erkennen, dass die patriarchale Gesellschaft aus unterdrückenden Strukturen besteht, von denen vor allem weiße cis Männer profitieren – auch sie selbst. Sie sollten verstehen, dass die Vorstellungen von Männlichkeit im Patriarchat auch sie und ihr Leben einschränken. Und sie sollten sich mit unterdrückten Frauen und Minderheiten solidarisieren und immer wieder offen für sie einsetzen.

Das Gegenteil von Patriarchat ist nämlich nicht die Bevorzugung von Frauen in der Gesellschaft. Das Ziel von Feminismus ist die Gleichberechtigung. Warum es dann nicht Humanismus, sondern Feminismus heißt, haben wir in einem weiteren Beitrag erörtert.

Zur Frage, ob Männer sich auch selbst mit dem Wort „Feminist“ bezeichnen können, gibt es verschiedene Meinungen. Einige finden, dass der Begriff „Ally“ – also Verbündeter – angebrachter wäre. Andere wiederum finden, dass nicht die Geschlechtsidentität darüber entscheiden sollte, ob jemand sich Feminist*in nennen möchte oder nicht. Auch Feminist*innen untereinander sind sich nicht immer einig, wer ein*e „richtige*r“ Feminist*in ist oder nicht.

Es kann allerdings helfen, wenn ein Mann die Bezeichnung Feminist öffentlich für sich selbst verwendet. Dadurch kann er andere Männer zum Nachdenken bringen oder auch zur Nachahmung animieren.

Also: Ja, ein Mann kann selbstverständlich Feminist sein – er sollte sogar. Denn für eine gerechtere Gesellschaft für alle Menschen zählt jede*r Mitstreitende. Wichtiger als der Begriff an sich sind aber – wie so oft im Leben – die Taten.

Weitere Links zum Thema


Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich und männlich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich” oder „männlich” benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe. Häufig greifen wir auch Statistiken auf, die meistens leider nur die binären Geschlechter “Frau” und “Mann” berücksichtigen. 

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Bildquelle: Clay Banks/Unsplash