Porno im Parlament: Über Sexismus in der Politik

Im britischen Parlament ist gerade der konservative Abgeordnete Neil Parish zurückgetreten, weil er im Unterhaus wiederholt und für andere sichtbar Pornografie konsumiert hat. Währenddessen wird der stellvertretenden Chefin der Labour-Partei, Angela Rayner, vorgeworfen, sie würde sich bei Debatten aufreizend verhalten, um Boris Johnson aus dem Konzept zu bringen. Zeitgleich wird nicht weniger als 56 Parlamentsmitgliedern von Kolleginnen „sexuelles Fehlverhalten“ und Übergriffigkeit vorgeworfen. Die Handelsministerin Anne-Marie Trevelyan hat ihre männlichen Kollegen öffentlich dazu aufgefordert, sich nicht länger als „Gottes Geschenk an die Frauenwelt zu betrachten“ und „die Hände bei sich zu lassen“. Was momentan in Großbritannien passiert, wirft ein bemerkenswertes Schlaglicht darauf, wie sehr Sexismus und Politik immer noch Hand in Hand gehen. Natürlich braucht es dafür keinen Blick über den Ärmelkanal. Erst letzten Monat haben wir über sexistische Übergriffigkeiten in der Linkspartei und linkes Mackertum berichtet. Und grundsätzlich ist die Situation in der deutschen Politik nicht besser: Auch hier werden Frauen ausgegrenzt, belästigt und aufgrund ihrer äußerlichen Erscheinung als weniger kompetent und durchsetzungsfähig eingeschätzt.

Auch hier gibt es „dieses Pavianverhalten in Diskussionen, wo dann über Stimme, Aggressivität Frauen ganz oft gehindert werden, ihre Meinung zu sagen„. Nur beschäftigt man sich in UK derweil ernsthaft mit dem Thema, ob Frauen in der Politik ihre übereinandergeschlagenen Beine öffnen dürfen. Wobei man eigentlich sagen müsste: schon wieder. Anfang des Jahres schrieb die britische Boulevardpresse, Angela Rayner würde „in einem schicken Kleid, das ihre Schenkel freilegt“ ihre innere Sharon Stone hervorholen, um die Männer Basic Instinct mäßig um den Verstand zu bringen. Ein paar Wochen später wurde ein nicht namentlich genannter Tory-Abgeordneter zitiert, der gehört haben wollte, wie Rayner damit prahlte, Boris Johnson mit kurzfristig gespreizten Beinen in Debatten abzulenken. Diese Basic Instinct Verweise existieren schon eine ganze Weile. Auch 2016 konnte man es gar nicht fassen, dass Politikerinnen Körper haben und gelegentlich keine Hosen tragen.

In Großbritannien scheint man besessen von „befremdlichen Sharon Stone Momenten“ zu sein. Wie gesagt: Frauen wagen es, Politik zu machen, Körper zu haben, die über Beine verfügen und im Sitzen gelegentlich repositioniert werden – ganz schön frech von denen. Wie sähe es wohl aus, wenn man männliche Politiker mit dem gleichen Maß messen würde? Dieser Boris Johnson ist nämlich ein ganz schöner Teaser. Wie er da im Interview die Beine spreizt und mit seiner Krawatte den Umfang seines Glieds andeutet, um Journalistinnen durcheinanderzubringen – ziemlich aufreizend.

Aber derlei Kommentare werden nur über Frauen ausgekübelt. Und das, wie bereits erwähnt, nicht nur in UK. 2020 zerriss man sich rund um den Globus das Maul über ein Outfit der finnischen Premierministerin. Auch im deutschsprachigen Raum fragte man sich, wie sexy Politik sein darf und meinte damit natürlich Frauen. Weil es immer wieder Frauenkörper sind, die problematisiert und sexualisiert werden.

Was gerade in Großbritannien passiert, sollte allen eine Warnung und Ansporn dafür sein, Sexismus endlich aus Gesellschaft und Politik zu verbannen. Ansonsten ist man in Sachen frauenverachtender Chauvi-Politik ganz schneller wieder vorne mit dabei. Dann erzählt Christian Lindner zum drölfmillionsten Mal, mit welcher Politikerin er „den Tag beginnt“. Dann haben wir weiterhin Wahlplakate aus der Hölle.

Dann werden Frauen auch weiterhin ausgegrenzt, diskriminiert und übergriffig behandelt. 1983 forderte die Grünen-Abgeordnete Waltraud Schoppe „alle auf, den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen.“

Damals war das Gelächter und die Empörung groß. Fast 40 Jahre ist das her. Es wird endlich Zeit, dass Taten folgen.

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.

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Bildquelle: Paul Green/ Unsplash