Enttäuschend. Einfach nur enttäuschend. Das Nachrichtenmagazin Spiegel bringt mal wieder einen Väter-Titel und dann sieht der so aus: Mütter-Bashing blabla, Maternal-Gatekeeping blabla, was Frauen alles tun sollten, um Männer nicht davon abzuhalten, supergeile Väter zu sein. Neue Väter in alten Klischees.
Was an Zeit und Geld in diesen Titel geflossen ist, möchte ich mir lieber nicht ausmalen. Und schon gar nicht, was dafür stattdessen alles hätte aufgefahren werden können. Aber ehrlich gesagt bin ich so überrascht nun wieder auch nicht. Es ist nicht der erste Väter-Titel, den der Spiegel bringt. Zwei sogar unter der gleichen Schlagzeile „Sind Väter die besseren Mütter“. So tief ist man bereit inhaltlich einzusteigen. Gut, das Thema wird naturgemäß nicht so qualitativ hochwertig aufbereitet wie die wenigen Mütter-Titel des Spiegels – also mit nackten Tatsachen zum Beispiel. Aber wir wollen ja bescheiden sein.
Wobei: Bei nochmaligem Nachdenken eigentlich nicht. Eigentlich reicht es jetzt mal mit diesem unfassbar ausufernden Geschwätz darüber, wie sehr die armen modernen Väter daran gehindert werden, sich in Care-Arbeit und Erziehung richtig einzubringen. Nicht, dass wir uns missverstehen: Als Vater von vier Kindern freue ich mich darüber, wenn man mich in meinem Kümmern und meinen Haushaltskompetenzen auch wahrnimmt und mich nicht qua Geschlecht dazu verdammt, in diesen Dingen nur als Aushilfskraft dienen zu dürfen, weil mir angeblich „das Mütter-Gen“ fehlt. Ich brauche kein „Wo ist die Mutter?!“ Gezische, wenn ich meine Kinder zur U-Untersuchung bringe. Ich brauche auch keine Bildungseinrichtungen, die einfach nicht raffen wollen, dass sie bei Fragen und Notfällen mich und nicht die Kindesmutter zu kontaktieren haben. Was ich aber auch ganz sicher nicht brauche, ist dieses Abfeiern dafür, dass ich hier nur meinen Job mache. Ich bin in der Erziehungsarbeit kein Rennpferd, mit dem man vorsichtig umgehen muss und das nur selten zum Einsatz kommt, wenn es darum geht, Trophäen zu gewinnen. Ich bin genauso ein Ackergaul wie meine Lebenskomplizin, wenn es darum geht, die Dinge am Laufen und die Kinder zufrieden zu halten. Aber gerade das scheinen viele Väter eben nicht sein zu wollen und das entlarvt der Spiegel-Titel, wenn auch unfreiwillig.
Väter wollen zu oft der Joker sein. Das Spezialwerkzeug, das Sonderkommando, das Elternextra in einem zähen, endlosen Tag. Von den Mühen der Care-Ebene wollen nur die wenigsten wissen. Von 14 Mal die Woche kochen, weil fucking Pandemie ist und die Kinder ständig warm essen wollen. Von 22 Uhr Putzrunden, damit die Wohnung am nächsten Tag nicht wieder aussieht als hätte ein Oger reingekotzt. Von Hausaufgaben, Wutanfällen, Periodenschmerzen. Von sich auf die Toilette flüchten, damit man einen Moment lang ungestört vor Erschöpfung weinen kann, bevor man wieder rausgeht und in den Bedürfnissen seiner Kinder ertrinkt. Der Beleg dafür, dass Väter heute in ihrer Rolle von Müttern nicht ernst genommen werden, ist also der fehlende rote Teppich beim Babyschwimmen für Micha vor 18 Jahren – echt jetzt? Die Lösung dafür, dass Männer jetzt aber mal so richtig reinhauen, sollen Frauen sein, die sie noch mehr loben, noch mehr machen und sich ansonsten vor allem mit Kritik zurückhalten? Schöne Idee, fangen wir doch gleich mal damit an. All die Frauen, die gerade den Mehraufwand bei der Betreuung ihrer Kinder auffangen, hören am besten sofort auf damit.
Wird super. Die machen das sicher nur, um die Väter zu übertrumpfen. Und um an dieser Stelle die üblichen #notallmen Einwände abzufrühstücken: Ja sicher, not all men. Es gibt mit Sicherheit Mütter, die die Väter ihrer Kinder überkritisch beäugen und sie regelrecht von der Erziehungsarbeit fernhalten, obwohl sie sich gerne mehr einbringen würden. Aber erstens: Was für eine Überraschung! Ein Geschlecht, dem beigebracht wurde, dass es vor allem durch Mutterschaft, Hausarbeit und Kümmern Anerkennung erfährt, dass darin seine Primäraufgaben und seine Bestimmung liegen, reagiert womöglich besitzergreifend, wenn das andere Geschlecht in dieser Domäne Verantwortung übernimmt.
Und zweitens: Ist das wirklich mehrheitlich so? Sind Mütter tatsächlich diejenigen, die Väter davon abhalten, den nervigen, anstrengend, beängstigenden und gelegentlich überraschend ekligen Teil der Care-Arbeit zu leisten? Oder handelt es sich nicht vielmehr um „Paternal Underperforming“ wie die Autorin Anne Dittmann schreibt? Der CDU-Politiker Michael Panse, der vom Spiegel dazu mit zwei anderen Vätern befragt wird, hat dazu eine klare Haltung.
Also wie kommt es, dass sich Väter erst nach Trennungen informieren und organisieren? Wieso sind all diese Dinge oft erst dann Thema, wenn es für die Beziehung zu spät ist? Und wieso helfen wir ihnen als Gesellschaft auch noch dabei, an dieser Joker-Rolle festzuhalten, in der sie sich dann ausgiebig darüber beschweren, nicht die Quality-Time mit ihren Kindern zu haben, während sie wie selbstverständlich annehmen, dass Mutti den ganzen Rest schon machen wird?
Anstatt zu fragen, was Frauen tun müssten, damit Rennpferdpapa häufiger zum Einsatz kommen kann und sich in der Box wohler fühlt, versuchen wir es ausnahmsweise mal mit den eigentlich viel interessanteren Fragen:
Wer wollen wir als Väter sein?
Wo können wir uns einbringen, wie Verantwortung übernehmen?
Was kann ich tun, damit das alles funktioniert?
Und worauf genau warte ich eigentlich?
Denn irgendwann ist es zu spät.
Vaterschaft ist kein Wartesaal, in dem man Zeitung liest, bis man drankommt, während das mütterliche Personal am Rotieren ist. Vaterschaft ist kein Hobby. Kein Wochenendjob. Keine Extraaktivität im Lebenslauf. Vaterschaft heißt zu lieben und sich zu kümmern, solange Atem in einem ist. Und nicht Applaus für Luftholen zu erwarten.
Bildquelle: Kelly Sikkema/Unsplash
Kommentare zu diesem Text könnt ihr uns in unseren Netzwerken hinterlassen und dort mit insgesamt 120.000 Menschen teilen!